WERNER FULD

Katzen, die sanften Psychologen

(aus Readers Digest)


Als Katzenbesitzer sollten Sie alles vergessen, was Sie jemals über rationales Verhalten gelernt haben.

NEHMEN wir einmal an. Sie stehen an einem schönen Junitag vor einem Wurf von vier allerliebsten Katzen. Ihre erste Reaktion wird sein: „Sind sie nicht süß?" Sie brauchen sich nicht zu schämen, junge Katzen sehen wirklich putzig aus. Hüten Sie sich aber vor dem Mißverständnis, daß sie in ihrem Wesen Menschenbabys ähneln und hilflos sind.

Ausgeruhte Miez auf einem Baststuhl
Während Sie sich rührend um Ihre neue Katze kümmern, hat das Tier schon damit begonnen. Sie zu erziehen. Die Lektionen sind am Anfang noch recht leicht - eben ganz auf das Lernvermögen des Menschen abgestimmt.

Lektion l:
Die Katze ist immer in Ihrer Nähe. Dazu gibt es zwei Standardübungen, die jeweils nach Einschätzung Ihrer Person regelmäßig eingesetzt werden oder in überraschenden zeitlichen Abständen.

Übung a: Die Katze ist weg.
Sie kommen nach Hause und glauben, daß das Tier hinter der Wohnungstür auf Sie wartet und schnurrend einen Slalom zwischen Ihren Beinen beginnt. Statt dessen finden Sie eine durch den Briefschlitz geworfene bis zur Unkenntlichkeit zerrissene Telefonrechnung. Die Katze ist nirgends zu sehen.

Sie nehmen sich nicht einmal die Zeit, die Jacke auszuziehen, sondern laufen alarmiert von Zimmer zu Zimmer. Sie suchen unter Betten, Sesseln und Schränken, rufen das Tier bei sämtlichen Kosenamen und werden immer unruhiger. Die Katze beobachtet Sie dabei. Schließlich hat sie genug. Wie zufällig streckt sie aus der nicht ganz geschlossenen Kommodenschublade, in die sie geklettert ist, eine Pfote hervor. Sie rufen begeistert: „Da bist du ja!" - und stoßen sich an dem Möbel heftig das Knie.

Wenn Sie fähig wären, die Lage kühl zu analysieren, würde es Sie wundern, wie ruhig die Katze es auf sich nimmt, scheinbar überraschend doch noch gefunden zu werden. Aber Sie freuen sich und haben gleichzeitig ein schlechtes Gewissen. „Was habe ich nur falsch gemacht, daß sich die arme Katze in einer Schublade verkriecht?" fragen Sie sich.

Wenn nach mehrmaliger Wiederholung dieser Übung der Lernerfolg ausbleibt, weil Sie nicht begreifen, daß die Katze immer in Ihrer Nähe ist, kombiniert sie den Test mit einer Variante:

Übung b: Die Katze war da.
Angenommen, Sie wachen nachts auf und wollen sich ein Glas Wasser holen. Sie kennen Ihre Wohnung und machen kein Licht. Kurz vor der Küchentür treten Sie mit bloßen Füßen auf etwas Weiches und fahren entsetzt zusammen. Sie haben die geliebte Katze getreten. „Furchtbar!"

Bekanntlich können Katzen mit ihren „Radaraugen" im Dunkeln ausgezeichnet sehen. So ist dem Tier natürlich nichts passiert. Es hatte Ihnen nur den Schwanz in den Weg gelegt - aus erzieherischen Gründen.


Lektion 2:
Das verschmähte Körbchen. Voller Fürsorge haben Sie Ihrem Liebling einen Korb gekauft, natürlich aus handgebogenem Bambus und mit rotem, wattiertem Stoff ausgeschlagen. Die Katze schnuppert aufmerksam daran - und legt sich in das abgestreifte Verpackungspapier.
Ausgeruhte Miez auf einem Baststuhl
Vielleicht haben Sie die Idee, den Korb in die Küche zu stellen, damit das Tier ein eigenes Eckchen hat. Sie erkennen den Fehler spätestens dann, wenn Sie zu Bett gehen und die Katze es sich dort schon gemütlich gemacht hat. Es ist nämlich weit unter ihrer Würde, vor dem Kühlschrank zu schlafen. Sie tun das doch auch nicht!

Der Versuch mit dem Badezimmer gelingt ebenfalls selten. Es ist - und das hätten Sie sich denken können! - eine unzumutbare Situation, neben dem Klo zu schlafen.

Möglicherweise finden Sie Ihre Katze morgens auf dem Fernsehapparat, oder sie liegt hinter den Gläsern im Barschrank, vielleicht auch im Bücherregal zwischen Nietzsche und Freud. Keinesfalls aber benutzt sie den schönen neuen Korb. Sie wird ihn so lange verschmähen, bis Sie das Prinzip des „festen Platzes an jeder Stelle" gelernt haben.


Lektion 3:
Bei Ihnen ist es aber gemütlich. Neuerdings stehen in Ihrer Wohnung alle Türen weit offen, denn geschlossene Türen beeinträchtigen den Komfort der Katze. Im Zweifelsfall befindet sich in dem gerade unzugänglichen Raum ein wichtiger Ruheplatz.

Hohe Pflanzen haben die von Ihnen bisher bevorzugten Schnittblumen ersetzt, weil sie viel robuster sind und nicht aus den Behältern geangelt werden können. Sie besitzen jetzt eine mit nepalesischem Lamahaar bezogene Biedermeiersitzgrup-pe, Gardinen, die eine mittelschwere Katze tragen können, offene Regale und griffig strukturierte Parkettfußböden.

„Das ist aber gemütlich bei Ihnen!" hören Sie Ihre Gäste sagen. Denken Sie daran, wem Sie dieses Kompliment verdanken.


Lektion 4:
Wer ist der bessere Menschenkenner? Gewisse Leute können Sie nun allerdings nicht mehr einladen, zum Beispiel solche, die es nicht ertragen, wenn eine niedliche Katze an ihren Beinen hochklettert oder ohne Vorwarnung einen kühnen Sprung vom Bücherregal auf ihren Rücken wagt. Sie schreien hysterisch auf, obwohl das äußerst unangebracht ist. Achten Sie auch darauf, daß Ihre Gäste nicht irgendwelchen Krimskrams auf wichtige ständige Katzenplätze legen.

Auf zweifelhafte Zeitgenossen wird Sie die Katze nachdrücklich aufmerksam machen: Sie beschäftigt sich nämlich ununterbrochen mit ihnen. So schnuppert sie an dem Sherryglas, das Sie einem Besucher gereicht haben, und setzt sich dann vielsagend auf seine Pfeifentasche, um dezent anzudeuten, daß ein längeres Verbleiben nicht in ihrem Sinn ist. Schließlich nimmt sie demonstrativ auf dem Schoß des Gastes Platz, besonders wenn er dunkel gekleidet ist und sie ein helles Fell hat oder umgekehrt. Es ist verblüffend, wie viele Haare eine kleine Katze nicht braucht. Der anschließende Säuberungsversuch überbrückt die Zeit vom Sherry bis zum Essen auf unkonventionelle Art.


Lektion 5:
Ernähre dich so, daß deine Katze es verträgt. Im alten Ägypten bestand ein Menü aus bis zu neun Gängen, und jeder konnte verdorben sein. Das hochempfindliche Geschmacksorgan der Katze machte sie zur idealen Vorkosterin. Sie durfte deshalb von jeder Speise probieren; von daher rührt wohl auch die Volksweisheit, daß eine Katze neun Leben habe.

Ausgeruhte Miez auf einem Baststuhl
Wenn Ihre Katze neben dem Eßtisch Platz nimmt und jeden Gabelhappen besorgt beobachtet, folgt sie also lediglich einer 4000 Jahre alten Tradition. Dabei widmet sie sich bevorzugt leichtverderblichen Speisen wie der „Forelle Müllerin". Falls Sie den obligatorischen Probebissen vergessen, legt sie mahnend eine Pfote auf Ihr Knie. In dringenden Fällen hält sie es für geboten, die Krallen zu benutzen, auch wenn der Fisch dann garantiert auf den Boden fällt.

Diese Lektion ist nicht leicht; sie stellt an Lehrer und Schüler gewisse Ansprüche. Doch sie beantwortet die Frage, was eine Katze zu speisen


Lektion 6:
„Spiel mit mir!" Sie sitzen vor dem Fernsehgerät, die Katze direkt vor dem Bildschirm. Was tun? Sie können versuchen, das Tier abzulenken, indem Sie aus einem Pfeifenreiniger eine Kugel formen und in eine Zimmerecke werfen. Wenn Sie das öfter tun, fällt Ihr Liebling allerdings nicht mehr darauf herein, und Sie krabbeln schließlich selbst durchs Zimmer, um die Kugel zu suchen. Die Katze wird Ihnen interessiert folgen. Schnurrend und mit hocherhobenem Schwanz tänzelt sie vor Ihrem Gesicht hin und her. Leider fallen Sie auf diesen Trick immer wieder herein und streicheln und kraulen sie.

Zufrieden gehen Sie anschließend zu Bett. Mitten in der Nacht beginnt der Spuk. Die Katze jagt plötzlich durch das Zimmer, über das Bett und ist wieder verschwunden. Entsetzt fahren Sie hoch, doch Ihr Liebling spielt nur mit der leichtsinnigerweise vergessenen Pfeifenreinigerkugel.

Richten Sie sich auf eine unruhige Nacht ein, und beginnen Sie mit der Lektüre von Prousts Romanwerk "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit". Dort werden Sie auf den ersten Seiten eine beeindruckende Schilderung finden, wie jemand, der keine Katze hat, auch nicht richtig schlafen kann.


Lektion 7:
Vom Streicheln. Eine Katze will immer dann gestreichelt werden, wenn Sie gerade keine Zeit haben. Sie stehen zum Beispiel am Herd und bereiten das Abendessen vor. Der kalte Spargel liegt bereits auf dem Teller, vorsichtig schlagen Sie eine Sauce Hollandaise im Was-serbad. Dabei treten Sie einen Schritt zurück und stolpern über die Katze.

Das Wasser schwappt in die Sauce, der Rührbesen fällt herunter, die Katze ist beleidigt. Verärgert wenden Sie sich wieder dem Topf zu. Die Katze spaziert inzwischen auf der Anrichte herum, kostet von dem Spargel und setzt sich dann bescheiden hin, um doch noch gestreichelt zu werden. Doch Sie bemerken die zarte Annäherung nicht. Nur so ist es zu verstehen, daß Sie den Rührbesen ausgerechnet auf das Tier legen. Natürlich empfindet es den nassen Gegenstand als Bedrohung und weicht aus. Der Teller fällt zu Boden.

Es wäre sehr ungerecht, nun die Katze zu beschimpfen. Sie können sich das Mißgeschick selbst zuschreiben. Warum haben Sie auch so verkrampft in den Topf geschaut? Sonst wäre Ihnen bestimmt aufgefallen, daß die Katze Ihre Aufmerksamkeit sucht. Widmen Sie ihr etwas Zeit, während Sie die Scherben vom Fußboden aufsammeln. Ein dankbares Schnurren ist Ihr Lohn.

Home -- zurück zu Berichte
GOWEBCounter by INLINE
(c) Shirarch 21.09.2002

 
Katzen - die sanften Psychologen
 

WERNER FULD

Katzen, die sanften Psychologen

(aus Readers Digest)


Als Katzenbesitzer sollten Sie alles vergessen, was Sie jemals über rationales Verhalten gelernt haben.

NEHMEN wir einmal an. Sie stehen an einem schönen Junitag vor einem Wurf von vier allerliebsten Katzen. Ihre erste Reaktion wird sein: „Sind sie nicht süß?" Sie brauchen sich nicht zu schämen, junge Katzen sehen wirklich putzig aus. Hüten Sie sich aber vor dem Mißverständnis, daß sie in ihrem Wesen Menschenbabys ähneln und hilflos sind.

Ausgeruhte Miez auf einem Baststuhl
Während Sie sich rührend um Ihre neue Katze kümmern, hat das Tier schon damit begonnen. Sie zu erziehen. Die Lektionen sind am Anfang noch recht leicht - eben ganz auf das Lernvermögen des Menschen abgestimmt.

Lektion l:
Die Katze ist immer in Ihrer Nähe. Dazu gibt es zwei Standardübungen, die jeweils nach Einschätzung Ihrer Person regelmäßig eingesetzt werden oder in überraschenden zeitlichen Abständen.

Übung a: Die Katze ist weg.
Sie kommen nach Hause und glauben, daß das Tier hinter der Wohnungstür auf Sie wartet und schnurrend einen Slalom zwischen Ihren Beinen beginnt. Statt dessen finden Sie eine durch den Briefschlitz geworfene bis zur Unkenntlichkeit zerrissene Telefonrechnung. Die Katze ist nirgends zu sehen.

Sie nehmen sich nicht einmal die Zeit, die Jacke auszuziehen, sondern laufen alarmiert von Zimmer zu Zimmer. Sie suchen unter Betten, Sesseln und Schränken, rufen das Tier bei sämtlichen Kosenamen und werden immer unruhiger. Die Katze beobachtet Sie dabei. Schließlich hat sie genug. Wie zufällig streckt sie aus der nicht ganz geschlossenen Kommodenschublade, in die sie geklettert ist, eine Pfote hervor. Sie rufen begeistert: „Da bist du ja!" - und stoßen sich an dem Möbel heftig das Knie.

Wenn Sie fähig wären, die Lage kühl zu analysieren, würde es Sie wundern, wie ruhig die Katze es auf sich nimmt, scheinbar überraschend doch noch gefunden zu werden. Aber Sie freuen sich und haben gleichzeitig ein schlechtes Gewissen. „Was habe ich nur falsch gemacht, daß sich die arme Katze in einer Schublade verkriecht?" fragen Sie sich.

Wenn nach mehrmaliger Wiederholung dieser Übung der Lernerfolg ausbleibt, weil Sie nicht begreifen, daß die Katze immer in Ihrer Nähe ist, kombiniert sie den Test mit einer Variante:

Übung b: Die Katze war da.
Angenommen, Sie wachen nachts auf und wollen sich ein Glas Wasser holen. Sie kennen Ihre Wohnung und machen kein Licht. Kurz vor der Küchentür treten Sie mit bloßen Füßen auf etwas Weiches und fahren entsetzt zusammen. Sie haben die geliebte Katze getreten. „Furchtbar!"

Bekanntlich können Katzen mit ihren „Radaraugen" im Dunkeln ausgezeichnet sehen. So ist dem Tier natürlich nichts passiert. Es hatte Ihnen nur den Schwanz in den Weg gelegt - aus erzieherischen Gründen.


Lektion 2:
Das verschmähte Körbchen. Voller Fürsorge haben Sie Ihrem Liebling einen Korb gekauft, natürlich aus handgebogenem Bambus und mit rotem, wattiertem Stoff ausgeschlagen. Die Katze schnuppert aufmerksam daran - und legt sich in das abgestreifte Verpackungspapier.
Ausgeruhte Miez auf einem Baststuhl
Vielleicht haben Sie die Idee, den Korb in die Küche zu stellen, damit das Tier ein eigenes Eckchen hat. Sie erkennen den Fehler spätestens dann, wenn Sie zu Bett gehen und die Katze es sich dort schon gemütlich gemacht hat. Es ist nämlich weit unter ihrer Würde, vor dem Kühlschrank zu schlafen. Sie tun das doch auch nicht!

Der Versuch mit dem Badezimmer gelingt ebenfalls selten. Es ist - und das hätten Sie sich denken können! - eine unzumutbare Situation, neben dem Klo zu schlafen.

Möglicherweise finden Sie Ihre Katze morgens auf dem Fernsehapparat, oder sie liegt hinter den Gläsern im Barschrank, vielleicht auch im Bücherregal zwischen Nietzsche und Freud. Keinesfalls aber benutzt sie den schönen neuen Korb. Sie wird ihn so lange verschmähen, bis Sie das Prinzip des „festen Platzes an jeder Stelle" gelernt haben.


Lektion 3:
Bei Ihnen ist es aber gemütlich. Neuerdings stehen in Ihrer Wohnung alle Türen weit offen, denn geschlossene Türen beeinträchtigen den Komfort der Katze. Im Zweifelsfall befindet sich in dem gerade unzugänglichen Raum ein wichtiger Ruheplatz.

Hohe Pflanzen haben die von Ihnen bisher bevorzugten Schnittblumen ersetzt, weil sie viel robuster sind und nicht aus den Behältern geangelt werden können. Sie besitzen jetzt eine mit nepalesischem Lamahaar bezogene Biedermeiersitzgrup-pe, Gardinen, die eine mittelschwere Katze tragen können, offene Regale und griffig strukturierte Parkettfußböden.

„Das ist aber gemütlich bei Ihnen!" hören Sie Ihre Gäste sagen. Denken Sie daran, wem Sie dieses Kompliment verdanken.


Lektion 4:
Wer ist der bessere Menschenkenner? Gewisse Leute können Sie nun allerdings nicht mehr einladen, zum Beispiel solche, die es nicht ertragen, wenn eine niedliche Katze an ihren Beinen hochklettert oder ohne Vorwarnung einen kühnen Sprung vom Bücherregal auf ihren Rücken wagt. Sie schreien hysterisch auf, obwohl das äußerst unangebracht ist. Achten Sie auch darauf, daß Ihre Gäste nicht irgendwelchen Krimskrams auf wichtige ständige Katzenplätze legen.

Auf zweifelhafte Zeitgenossen wird Sie die Katze nachdrücklich aufmerksam machen: Sie beschäftigt sich nämlich ununterbrochen mit ihnen. So schnuppert sie an dem Sherryglas, das Sie einem Besucher gereicht haben, und setzt sich dann vielsagend auf seine Pfeifentasche, um dezent anzudeuten, daß ein längeres Verbleiben nicht in ihrem Sinn ist. Schließlich nimmt sie demonstrativ auf dem Schoß des Gastes Platz, besonders wenn er dunkel gekleidet ist und sie ein helles Fell hat oder umgekehrt. Es ist verblüffend, wie viele Haare eine kleine Katze nicht braucht. Der anschließende Säuberungsversuch überbrückt die Zeit vom Sherry bis zum Essen auf unkonventionelle Art.


Lektion 5:
Ernähre dich so, daß deine Katze es verträgt. Im alten Ägypten bestand ein Menü aus bis zu neun Gängen, und jeder konnte verdorben sein. Das hochempfindliche Geschmacksorgan der Katze machte sie zur idealen Vorkosterin. Sie durfte deshalb von jeder Speise probieren; von daher rührt wohl auch die Volksweisheit, daß eine Katze neun Leben habe.

Ausgeruhte Miez auf einem Baststuhl
Wenn Ihre Katze neben dem Eßtisch Platz nimmt und jeden Gabelhappen besorgt beobachtet, folgt sie also lediglich einer 4000 Jahre alten Tradition. Dabei widmet sie sich bevorzugt leichtverderblichen Speisen wie der „Forelle Müllerin". Falls Sie den obligatorischen Probebissen vergessen, legt sie mahnend eine Pfote auf Ihr Knie. In dringenden Fällen hält sie es für geboten, die Krallen zu benutzen, auch wenn der Fisch dann garantiert auf den Boden fällt.

Diese Lektion ist nicht leicht; sie stellt an Lehrer und Schüler gewisse Ansprüche. Doch sie beantwortet die Frage, was eine Katze zu speisen


Lektion 6:
„Spiel mit mir!" Sie sitzen vor dem Fernsehgerät, die Katze direkt vor dem Bildschirm. Was tun? Sie können versuchen, das Tier abzulenken, indem Sie aus einem Pfeifenreiniger eine Kugel formen und in eine Zimmerecke werfen. Wenn Sie das öfter tun, fällt Ihr Liebling allerdings nicht mehr darauf herein, und Sie krabbeln schließlich selbst durchs Zimmer, um die Kugel zu suchen. Die Katze wird Ihnen interessiert folgen. Schnurrend und mit hocherhobenem Schwanz tänzelt sie vor Ihrem Gesicht hin und her. Leider fallen Sie auf diesen Trick immer wieder herein und streicheln und kraulen sie.

Zufrieden gehen Sie anschließend zu Bett. Mitten in der Nacht beginnt der Spuk. Die Katze jagt plötzlich durch das Zimmer, über das Bett und ist wieder verschwunden. Entsetzt fahren Sie hoch, doch Ihr Liebling spielt nur mit der leichtsinnigerweise vergessenen Pfeifenreinigerkugel.

Richten Sie sich auf eine unruhige Nacht ein, und beginnen Sie mit der Lektüre von Prousts Romanwerk "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit". Dort werden Sie auf den ersten Seiten eine beeindruckende Schilderung finden, wie jemand, der keine Katze hat, auch nicht richtig schlafen kann.


Lektion 7:
Vom Streicheln. Eine Katze will immer dann gestreichelt werden, wenn Sie gerade keine Zeit haben. Sie stehen zum Beispiel am Herd und bereiten das Abendessen vor. Der kalte Spargel liegt bereits auf dem Teller, vorsichtig schlagen Sie eine Sauce Hollandaise im Was-serbad. Dabei treten Sie einen Schritt zurück und stolpern über die Katze.

Das Wasser schwappt in die Sauce, der Rührbesen fällt herunter, die Katze ist beleidigt. Verärgert wenden Sie sich wieder dem Topf zu. Die Katze spaziert inzwischen auf der Anrichte herum, kostet von dem Spargel und setzt sich dann bescheiden hin, um doch noch gestreichelt zu werden. Doch Sie bemerken die zarte Annäherung nicht. Nur so ist es zu verstehen, daß Sie den Rührbesen ausgerechnet auf das Tier legen. Natürlich empfindet es den nassen Gegenstand als Bedrohung und weicht aus. Der Teller fällt zu Boden.

Es wäre sehr ungerecht, nun die Katze zu beschimpfen. Sie können sich das Mißgeschick selbst zuschreiben. Warum haben Sie auch so verkrampft in den Topf geschaut? Sonst wäre Ihnen bestimmt aufgefallen, daß die Katze Ihre Aufmerksamkeit sucht. Widmen Sie ihr etwas Zeit, während Sie die Scherben vom Fußboden aufsammeln. Ein dankbares Schnurren ist Ihr Lohn.

Home -- zurück zu Berichte
GOWEBCounter by INLINE
(c) Shirarch 21.09.2002