Die meisten Raubtiere und die meisten Schafe

Ein Bayer holt den Ökotourismus in die Karpaten

Rumäniens Diktator Nicolae Ceausescu ließ einst die Bären in den Karpaten mästen, mit Brot und Fleisch. Die Bären waren in besserem Zustand als viele Einwohner des südosteuropäischen Landes. Doch uneigennützig waren die Fleischgaben nicht. Ceausescu war ein begeisterter Bärenjäger, nur er und seine Clique durften Meister Petz nachstellen. 8000 Bären trieben sich noch vor wenigen Jahren in den Bergen herum. Heute hat sich der Bestand wieder auf ein natürliches Maß eingepegelt. In den rumänischen Karpaten leben etwa 5000 Braunbären, dazu 3000 Wölfe und 2000 Luchse. Das sind allein ein Drittel der europäischen Großraubtiere auf insgesamt 100000 Quadratkilometern. Nirgendwo in Europa gibt es Vergleichbares.

Christoph Promberger zogen die Wölfe nach Rumänien. Vor zehn Jahren zog der Bayer nach Südosteuropa und rief ein Projekt ins Leben. Der studierte Forstwirt ist der deutsche Vertreter für Wölfe in der Weltnaturschutzunion. Er sei keiner, der Wolfsgeheul auf dem Anrufbeantworter hat, sagt Promberger. Aber ihn fasziniere die Beziehung zwischen Menschen und Wölfen und die Stellung des Wolfes als Baustein im Ökosystem.

Ökotourismus mit 100 Prozent Zuwachsraten

Entsprechend ist Prombergers Projekt angelegt. Er hat eine Stiftung ins Leben gerufen und arbeitet eng mit der rumänischen Forstbehörde, Tourismusverbänden und Gemeinden zusammen. Auf Unverständnis und Kopfschütteln stieß Promberger am Anfang seiner Arbeit. Mittlerweile hat er viele Mitstreiter gefunden, wird Hoffnung auf ihn gesetzt. Promberger hat in den Karpaten den Ökotourismus eingeführt, mit Zuwachsraten bis 100 Prozent jährlich.

In Zarnesti, einer 25000-Einwohner-Stadt, sind 120 Arbeitsplätze entstanden, vom Fahrradverleih bis zum Reiterhof. Touristen erleben eine Mischung aus Natur, Wandern und Kultur. Nicht weniger wichtig sind dem 37-Jährigen aber Bildungsarbeit, Forschung und Regionalentwicklung. In den Karpaten leben nicht allein die großen Raubtiere. In und um das Gebirge leben fünf Millionen Menschen. In den Vororten von Brasov, der zweitgrößten Stadt Rumäniens, gehen Bären und Wölfe auf Nahrungssuche. „Vor Bären haben die Menschen Respekt", sagt Promberger. Jedes Jahr kommt es auch zu Todesfällen. „Vor Wölfen aber hat hier keiner Angst, die Leute wissen, daß die harmlos sind." Vergangenes Jahr hat Promberger in einer Studie Zwischenfälle mit Wölfen aus den letzten 50 Jahren untersucht. Achtmal wurden Menschen gebissen. Es waren Jäger und Schäfer, die mit Knüppeln auf verletzte oder Schafe angreifende Wölfe losgingen. Zerfleischt wurde niemand, es blieb bei Bissverletzungen.

„Dabei sind die Karpaten keine Wildnis", sagt Promberger. In den Schluchten und Wäldern sind Waldarbeiter, Pilz- und Beerensammler unterwegs. Und Rumänien ist nicht nur das Land, mit der größten Dichte an großen Raubtieren in Europa, sondern auch mit den meisten Schafen. Zehn Millionen Schafe werden in Rumänien gehalten und die Hälfte von ihnen weidet im Sommer in den Karpaten auf den hoch gelegenen riesigen Bergwiesen. Mit speziellen Hunden schützen die Schäfer ihre Herden. Die großen, zotteligen Tiere wachsen mit den Schafen auf. Sie liegen den ganzen Tag faul herum, ihre einzige Aufgabe ist der Schutz der Herde. Überall in Europa sei das nicht möglich, sagt Promberger. Die Hunde greifen mitunter auch Menschen an, die sich der Herde nähern. Ein bis zwei Prozent der Schafe werden jährlich von Raubtieren gerissen. Gute Erfahrungen hat Promberger jetzt mit Elektrozäunen gesammelt. In den am meisten von Raubtier-Angriffen heimgesuchten Herden gab es seitdem kaum noch Verluste.

Nächstes Jahr will Promberger das Projekt ganz in die Hände seiner rumänischen Mitarbeiter legen. Zuvor will er noch ein Informationszentrum zu den Großraubtieren der Karpaten aufbauen. Der Druck auf das Gebirge und die jahrhundertelang gewachsene Beziehung zwischen Mensch und Tier wächst, wie die sozialen Spannungen im Land. Schon wollen reiche Rumänen prunkvolle Wochenendhäuser im Gebirge errichten. Profitieren vom natürlichen Reichtum ihrer Region aber sollen die Bewohner.

Frank Tausch

 


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