Serengeti - Rastplatz der Schöpfung

(aus Readers Digest)


Zwei alternde Löwenmännchen in der Glut der Mittagssonne DER ALTE Löwe ruhte, das Kinn auf den Pranken, hoch auf dem Felsen. Der trockene Wind, der schon den ganzen Morgen von den Golbergen wehte, spielte mit seiner Mähne. Als er mit hängendem Unterkiefer in der Hitze hechelte, sah ich, daß ihm der eine untere Reißzahn fehlte.

Er war einer der beiden Löwenmänner, die in den letzten zwei Jahren im hier ansässigen Rudel das Regiment geführt hatten. Sein Bruder lag unten im Gras, alle viere von sich gestreckt, und bewachte die halb aufgezehrte Beute, ein Zebra, das sie gemeinsam gerissen hatten. Jetzt hielten sie gesättigt ihre Siesta. Der auf dem Felsen hob immer wieder das mächtige, zottige Haupt und witterte gegen die Brise, die weite, leere Fläche der Serengeti wachsam im Blick. Irgendwo da draußen waren die sehnigen, langgliedrigen Nomadenlöwen, die mit dem Beginn der Gnuwanderung in sein Territorium eingedrungen waren und nun immer dreister seine Oberhoheit in Frage stellten.

Er spürte wohl, daß seine Tage gezählt waren, daß die üppigen Zeiten, in denen er Nachkommen gezeugt und von dem Wild gelebt hatte, das seine drei Löwinnen rissen, zu Ende ging. Beim letzten Kampf Auge in Auge würden er und sein Bruder sich mit den Rivalen nicht mehr messen können. Doch bis dahin war dies noch sein Land. sein Königreich.

Die Serengeti.

Schon der Name klingt wie ein Trommelschlag aus dem Herzen Afrikas. Wie kann man ihre erhabene Schönheit beschreiben? Das Licht ist strahlend hell. Die Luft riecht nach Staub und Großwild und Gras wogendem Steppengras, so weit das Auge reicht. Kein Zaun stört das Bild, nur ab und zu eine Straße.

Giraffen fressen oftmals die hochgelegenen Baumkronen leer In der Serengeti ist Gras gleichbedeutend mit Leben, und die Herden folgen jahraus, jahrein den Gewitterwolken quer durch das Land. Sie sind dem frischen Grün auf der Spur, das nach einem Regenfall hervorsprießt. Manche Tiere wie etwa die Grantgazelle kommen monatelang ohne Wasser aus. In der Trockenzeit, lange nachdem die übrigen Herden nach Norden abgezogen sind, sind die Grantgazellen noch da und äsen die dürren Stoppeln ab.

Aber die Mehrzahl der Tiere braucht frisches Gras und Wasser - vor allem das Gnu. Dieses unansehnlichste Mitglied der Antilopenfamilie hat die Hörner eines Ochsen, die Mähne eines Pferdes und das abfallende Hinterteil einer Hyäne. Doch trotz seines grotesken Äußeren und seiner linkischen Sprünge ist es das erfolgreichste aller Steppentiere. Es beherrscht die Hochfläche allein durch seine Überzahl.

Verteter der hundeartigen Carnivoren, die Hyäne SEITDEM die Serengeti vor 40 Jahren zum Nationalpark erklärt wurde, hat sich das Gnu dort ungestört vermehren können - bis auf den gegenwärtigen Bestand von 1,5 Millionen Tieren. Zusammen mit einer halben Million Gazellen, 200.000 Zebras, 8.000 Giraffen und 1.500 Löwen vermitteln sie einen letzten Eindruck vom einstigen, ursprünglichen Afrika, wie es vor der Ankunft der Europäer war. Wenn die Gnus ihre jahreszeitlichen Wanderungen antreten und in endlos vorwärts drängenden Kolonnen, die von Horizont zu Horizont reichen, drei Tage und Nächte lang vorüberziehen, verwandeln sie die weite tansanische Ebene in das herrlichste Wildtierschauspiel auf Erden.

In einem normalen Jahr verlassen die Gnus ihre nördlichen Weidegründe im Mara-Reservat in der Massaisteppe im September und ziehen in lockeren Verbänden über die Trifthafer- und Trespenweiden des Seroneratals, bis sie im November auf der Hochfläche der Serengeti eintreffen. Hier verweilen die Herden die ganze Regenzeit über, und gegen Ende Januar kommen ihre hochbeinigen Kälber in so großer Zahl zur Welt, daß ihre lauernden Feinde - Löwen, Leoparden, Geparden, Hyänen und Wildhunde - sie unmöglich alle zur Strecke bringen können. Dank dieser harten Überlebensstrategie konnte der Gnubestand sich vervielfachen.

Einen Monat vor meiner Ankunft hatten ungewöhnlich schwere Gewitterstürme die Serengeti heimgesucht, und teilweise stand der Park unter Wasser.Ein weiterer Verteter der hundeartigen Carnivoren, der Wildhund Als ich dann im Februar in der Ndutu Lodge am südlichen Rand des Parks eintraf, waren die Flächen noch grün, aber das Hochwasser war verdunstet. Die Gnus, deren Kälber jetzt fast alle geboren waren, wanderten schon in den südlichsten Zipfel des Parks ab, wo noch Regen fiel; die Zebras und die Gazellen dagegen blieben um die Kopjes der Golberge.

Jede dieser kahlen Granitkuppen, die sich aus dem Grasland erheben, ist eine geheime Welt für sich. Sie dienen Geparden auf der Jagd als Ausguck und Löwinnen als sichere Zuflucht. Hierher, in die dunklen Klüfte und Höhlen, ziehen sie sich zurück, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Im Gebiet der Golkopjes war ich auf die beiden Löwenmänner gestoßen, und hier wollte ich auch die nächsten zwei Tage verbringen, um mit dem Naturfilmer Hugo van Lawick Geparden zu beobachten.

LÖWENGEKNURR schallte durch die Morgendämmerung, als wir mit unserem Landrover losfuhren, durch dessen Fenster van Lawicks Teleobjektiv ragte. Wir nahmen Kurs nach Norden, wo zwei einsame Kopjes die Unendlichkeit von Steppe und Himmel durchbrachen. Beim Näherkommen gewannen sie scharfe, klare Konturen, und die Felswände glänzten in dem harten Licht. Wir suchten die Kuppen nach den scheuen Katzen ab, aber ohne Erfolg, und fuhren weiter. Im Osten türmten sich inzwischen mächtige Wolken auf. Dann endlich zeichnete sich vor uns eine Katzengestalt ab, ein perfektes Profil vor dem Hintergrund der grellen Sonne.

Der Gepard stand da - goldbraun, wachsam und sprungbereit. Als wir näher kamen, erhob sich ein zweiter und starrte uns ohne einen Lidschlag aus achatfarbenen Augen entgegen. Sie seien aus einem Wurf, Bruder und Schwester, erklärte van Lawick, schätzungsweise 15 Monate alt und noch nicht lange aus der Obhut der Mutter entlassen. Wir beschlossen, sie bei der Jagd zu beobachten.

Der elegante, geheimnisvoll wirkende Gepard mit den schwarzen Punkten, die in seinem Gesicht wie Tränen wirken, und dem biegsamen Körper ist der ideale Jäger der weiten Ebenen. Der zierlichen Leichtfüßigkeit seines Opfers entsprechen seine geschmeidige Anmut und seine Sprintschnelligkeit.

Die Herden vor uns hatten aufgehört zu äsen. Knisternde Spannung lag in der Luft. Alle Köpfe waren oben, als die Geparden schnurgerade auf ein Rudel Thomsongazellen zutrabten, die wie hypnotisiert den Katzen entgegenzogen. Doch die Geparden würdigten die ausgewachsenen Tiere keines Blicks. Sie waren auf eines der Kitze aus, die leichter zu fangen sind. Da keines zu sehen war, ließen sich die Geparden zur Rast ins Gras fallen.

Die Sonne stieg höher. Die Zeit verstrich in monotoner Stille. Reglos lag die Ebene da, wie betäubt unter der Hitze. Eine Stunde und noch eine; nichts geschah.

Ein Abbild von Schönheit: der Leopard im Geäst einer Akazie Plötzlich sprangen die Geparden auf und verfielen in Galoppsprünge. Sie hatten ein Muttertier mit einem Kitz erspäht. In Sekundenschnelle beschleunigten sie ihre weiten Sätze zu einem atemberaubenden Sprint. Vergeblich versuchte das Kitz mit hohen Sprüngen zu entkommen. Die Gepardin hatte es schon eingeholt. Mit hocherhobenem Schwanz holte sie mit der Tatze aus und warf das Jungtier zu Boden. Im Bruchteil einer Sekunde war die Gepardin an seiner Kehle, und noch ehe der Staub sich gelegt hatte, war das Kitz tot.

Trotz des Surrens der Kamera hörte ich die beiden Geparden fressen. Hastig verschlangen sie Fleisch und Knochen, um nicht von umherstreifenden Hyänen um die Beute geprellt zu werden. Nach einer Viertelstunde war nichts mehr übrig als eine blutige Stelle im Gras. Bruder und Schwester setzten sich einander gegenüber und leckten sich gegenseitig das Fell, ehe sie sich zu dem nahe gelegenen Felsen aufmachten, vor dem ein Feigenbaum ein schattiges Plätzchen bot. Dorthin zog es auch uns, und wir picknickten unter dem Baum, während sich die Katzen im Gestein schlafen legten. Über uns wartete ein Uhu auf die Dunkelheit. Mit eingezogenem Kopf sah er aus wie ein Mönch unter einer Kapuze.

DIE SONNE sank tiefer. Die Geparden schliefen immer noch. In der kühleren Luft vollführten Zebras Freudensprünge. Über uns zogen Flughühner hinweg, die wahrscheinlich von fernen Wasserlöchem kamen. Wohin ich auch blickte, nirgends konnte ich eine Spur menschlichen Lebens entdecken - nur Lerchen, die vom Wind in die Höhe getragen wurden, und die unberührte Weite von Steppe und Himmel. Es herrschte tiefer Friede.

Bald würde die Trockenzeit wieder beginnen, und die wandernden Herden würden zu ihrem langen Marsch nach Norden aufbrechen. Schon hatte ich die ersten Störche beobachtet, die sich wie Schneeflocken vom Aufwind in die Höhe tragen ließen, um den Rückflug nach Europa anzutreten. Und auch für mich wurde es Zeit zu gehen.

Gepardenfamilie friedlich und entspannt bei der Rast

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(c) Shirarch 21.09.2002

 
Serengeti - Rastplatz der Schöpfung
 

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(aus Readers Digest)


Zwei alternde Löwenmännchen in der Glut der Mittagssonne DER ALTE Löwe ruhte, das Kinn auf den Pranken, hoch auf dem Felsen. Der trockene Wind, der schon den ganzen Morgen von den Golbergen wehte, spielte mit seiner Mähne. Als er mit hängendem Unterkiefer in der Hitze hechelte, sah ich, daß ihm der eine untere Reißzahn fehlte.

Er war einer der beiden Löwenmänner, die in den letzten zwei Jahren im hier ansässigen Rudel das Regiment geführt hatten. Sein Bruder lag unten im Gras, alle viere von sich gestreckt, und bewachte die halb aufgezehrte Beute, ein Zebra, das sie gemeinsam gerissen hatten. Jetzt hielten sie gesättigt ihre Siesta. Der auf dem Felsen hob immer wieder das mächtige, zottige Haupt und witterte gegen die Brise, die weite, leere Fläche der Serengeti wachsam im Blick. Irgendwo da draußen waren die sehnigen, langgliedrigen Nomadenlöwen, die mit dem Beginn der Gnuwanderung in sein Territorium eingedrungen waren und nun immer dreister seine Oberhoheit in Frage stellten.

Er spürte wohl, daß seine Tage gezählt waren, daß die üppigen Zeiten, in denen er Nachkommen gezeugt und von dem Wild gelebt hatte, das seine drei Löwinnen rissen, zu Ende ging. Beim letzten Kampf Auge in Auge würden er und sein Bruder sich mit den Rivalen nicht mehr messen können. Doch bis dahin war dies noch sein Land. sein Königreich.

Die Serengeti.

Schon der Name klingt wie ein Trommelschlag aus dem Herzen Afrikas. Wie kann man ihre erhabene Schönheit beschreiben? Das Licht ist strahlend hell. Die Luft riecht nach Staub und Großwild und Gras wogendem Steppengras, so weit das Auge reicht. Kein Zaun stört das Bild, nur ab und zu eine Straße.

Giraffen fressen oftmals die hochgelegenen Baumkronen leer In der Serengeti ist Gras gleichbedeutend mit Leben, und die Herden folgen jahraus, jahrein den Gewitterwolken quer durch das Land. Sie sind dem frischen Grün auf der Spur, das nach einem Regenfall hervorsprießt. Manche Tiere wie etwa die Grantgazelle kommen monatelang ohne Wasser aus. In der Trockenzeit, lange nachdem die übrigen Herden nach Norden abgezogen sind, sind die Grantgazellen noch da und äsen die dürren Stoppeln ab.

Aber die Mehrzahl der Tiere braucht frisches Gras und Wasser - vor allem das Gnu. Dieses unansehnlichste Mitglied der Antilopenfamilie hat die Hörner eines Ochsen, die Mähne eines Pferdes und das abfallende Hinterteil einer Hyäne. Doch trotz seines grotesken Äußeren und seiner linkischen Sprünge ist es das erfolgreichste aller Steppentiere. Es beherrscht die Hochfläche allein durch seine Überzahl.

Verteter der hundeartigen Carnivoren, die Hyäne SEITDEM die Serengeti vor 40 Jahren zum Nationalpark erklärt wurde, hat sich das Gnu dort ungestört vermehren können - bis auf den gegenwärtigen Bestand von 1,5 Millionen Tieren. Zusammen mit einer halben Million Gazellen, 200.000 Zebras, 8.000 Giraffen und 1.500 Löwen vermitteln sie einen letzten Eindruck vom einstigen, ursprünglichen Afrika, wie es vor der Ankunft der Europäer war. Wenn die Gnus ihre jahreszeitlichen Wanderungen antreten und in endlos vorwärts drängenden Kolonnen, die von Horizont zu Horizont reichen, drei Tage und Nächte lang vorüberziehen, verwandeln sie die weite tansanische Ebene in das herrlichste Wildtierschauspiel auf Erden.

In einem normalen Jahr verlassen die Gnus ihre nördlichen Weidegründe im Mara-Reservat in der Massaisteppe im September und ziehen in lockeren Verbänden über die Trifthafer- und Trespenweiden des Seroneratals, bis sie im November auf der Hochfläche der Serengeti eintreffen. Hier verweilen die Herden die ganze Regenzeit über, und gegen Ende Januar kommen ihre hochbeinigen Kälber in so großer Zahl zur Welt, daß ihre lauernden Feinde - Löwen, Leoparden, Geparden, Hyänen und Wildhunde - sie unmöglich alle zur Strecke bringen können. Dank dieser harten Überlebensstrategie konnte der Gnubestand sich vervielfachen.

Einen Monat vor meiner Ankunft hatten ungewöhnlich schwere Gewitterstürme die Serengeti heimgesucht, und teilweise stand der Park unter Wasser.Ein weiterer Verteter der hundeartigen Carnivoren, der Wildhund Als ich dann im Februar in der Ndutu Lodge am südlichen Rand des Parks eintraf, waren die Flächen noch grün, aber das Hochwasser war verdunstet. Die Gnus, deren Kälber jetzt fast alle geboren waren, wanderten schon in den südlichsten Zipfel des Parks ab, wo noch Regen fiel; die Zebras und die Gazellen dagegen blieben um die Kopjes der Golberge.

Jede dieser kahlen Granitkuppen, die sich aus dem Grasland erheben, ist eine geheime Welt für sich. Sie dienen Geparden auf der Jagd als Ausguck und Löwinnen als sichere Zuflucht. Hierher, in die dunklen Klüfte und Höhlen, ziehen sie sich zurück, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Im Gebiet der Golkopjes war ich auf die beiden Löwenmänner gestoßen, und hier wollte ich auch die nächsten zwei Tage verbringen, um mit dem Naturfilmer Hugo van Lawick Geparden zu beobachten.

LÖWENGEKNURR schallte durch die Morgendämmerung, als wir mit unserem Landrover losfuhren, durch dessen Fenster van Lawicks Teleobjektiv ragte. Wir nahmen Kurs nach Norden, wo zwei einsame Kopjes die Unendlichkeit von Steppe und Himmel durchbrachen. Beim Näherkommen gewannen sie scharfe, klare Konturen, und die Felswände glänzten in dem harten Licht. Wir suchten die Kuppen nach den scheuen Katzen ab, aber ohne Erfolg, und fuhren weiter. Im Osten türmten sich inzwischen mächtige Wolken auf. Dann endlich zeichnete sich vor uns eine Katzengestalt ab, ein perfektes Profil vor dem Hintergrund der grellen Sonne.

Der Gepard stand da - goldbraun, wachsam und sprungbereit. Als wir näher kamen, erhob sich ein zweiter und starrte uns ohne einen Lidschlag aus achatfarbenen Augen entgegen. Sie seien aus einem Wurf, Bruder und Schwester, erklärte van Lawick, schätzungsweise 15 Monate alt und noch nicht lange aus der Obhut der Mutter entlassen. Wir beschlossen, sie bei der Jagd zu beobachten.

Der elegante, geheimnisvoll wirkende Gepard mit den schwarzen Punkten, die in seinem Gesicht wie Tränen wirken, und dem biegsamen Körper ist der ideale Jäger der weiten Ebenen. Der zierlichen Leichtfüßigkeit seines Opfers entsprechen seine geschmeidige Anmut und seine Sprintschnelligkeit.

Die Herden vor uns hatten aufgehört zu äsen. Knisternde Spannung lag in der Luft. Alle Köpfe waren oben, als die Geparden schnurgerade auf ein Rudel Thomsongazellen zutrabten, die wie hypnotisiert den Katzen entgegenzogen. Doch die Geparden würdigten die ausgewachsenen Tiere keines Blicks. Sie waren auf eines der Kitze aus, die leichter zu fangen sind. Da keines zu sehen war, ließen sich die Geparden zur Rast ins Gras fallen.

Die Sonne stieg höher. Die Zeit verstrich in monotoner Stille. Reglos lag die Ebene da, wie betäubt unter der Hitze. Eine Stunde und noch eine; nichts geschah.

Ein Abbild von Schönheit: der Leopard im Geäst einer Akazie Plötzlich sprangen die Geparden auf und verfielen in Galoppsprünge. Sie hatten ein Muttertier mit einem Kitz erspäht. In Sekundenschnelle beschleunigten sie ihre weiten Sätze zu einem atemberaubenden Sprint. Vergeblich versuchte das Kitz mit hohen Sprüngen zu entkommen. Die Gepardin hatte es schon eingeholt. Mit hocherhobenem Schwanz holte sie mit der Tatze aus und warf das Jungtier zu Boden. Im Bruchteil einer Sekunde war die Gepardin an seiner Kehle, und noch ehe der Staub sich gelegt hatte, war das Kitz tot.

Trotz des Surrens der Kamera hörte ich die beiden Geparden fressen. Hastig verschlangen sie Fleisch und Knochen, um nicht von umherstreifenden Hyänen um die Beute geprellt zu werden. Nach einer Viertelstunde war nichts mehr übrig als eine blutige Stelle im Gras. Bruder und Schwester setzten sich einander gegenüber und leckten sich gegenseitig das Fell, ehe sie sich zu dem nahe gelegenen Felsen aufmachten, vor dem ein Feigenbaum ein schattiges Plätzchen bot. Dorthin zog es auch uns, und wir picknickten unter dem Baum, während sich die Katzen im Gestein schlafen legten. Über uns wartete ein Uhu auf die Dunkelheit. Mit eingezogenem Kopf sah er aus wie ein Mönch unter einer Kapuze.

DIE SONNE sank tiefer. Die Geparden schliefen immer noch. In der kühleren Luft vollführten Zebras Freudensprünge. Über uns zogen Flughühner hinweg, die wahrscheinlich von fernen Wasserlöchem kamen. Wohin ich auch blickte, nirgends konnte ich eine Spur menschlichen Lebens entdecken - nur Lerchen, die vom Wind in die Höhe getragen wurden, und die unberührte Weite von Steppe und Himmel. Es herrschte tiefer Friede.

Bald würde die Trockenzeit wieder beginnen, und die wandernden Herden würden zu ihrem langen Marsch nach Norden aufbrechen. Schon hatte ich die ersten Störche beobachtet, die sich wie Schneeflocken vom Aufwind in die Höhe tragen ließen, um den Rückflug nach Europa anzutreten. Und auch für mich wurde es Zeit zu gehen.

Gepardenfamilie friedlich und entspannt bei der Rast

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