Elfenbeinkrieg - der Kampf um das weiße Gold

(aus Readers Digest)


Zielscheibe Elfenbein Eines der imposantesten Geschöpfe könnte bald von der Erdoberfläche verschwunden sein. Gab es in Afrika einst Millionen von Elefanten, so zählt man jetzt keine 600.000 mehr. Allein 1989 haben Wilderer fast 100.000 abgeschlachtet.

Was steckt dahinter? Und kann das im Oktober 1989 von über 100 Ländern vereinbarte Verbot des Elfenbeinhandels die Elefanten retten, bevor es zu spät ist?




Um das herauszufinden, ist Nathan M. Adams der blutigen Spur des Elfenbeins von den Weiten Ostafrikas bis zu geheimen Schnitzzentren am Persischen Golf, Juwelierläden in Hongkong und Hotelkiosken in Tokio nachgegangen.

HM SELOUS-WILDRESERVAT, TANSANIA.
Es ist Mittag, und die Hitze und Stille sind erdrückend. Die meisten Tiere suchen im trockenen Gestrüpp Schutz vor der glutheißen Sonne. Nichts rührt sich. Es ist die Zeit der Waffenruhe - selbst die Raubtiere rasten jetzt. Nur der Mensch nicht.

Die Augen auf die Spuren am Boden gerichtet, dabei aber bemüht, den Domen auszuweichen, huschen kleine, drahtige Eingeborene durch das niedrige Buschwerk. Sie sind die Fährtensucher. Ihnen folgen in kurzer Entfernung sechs oder sieben Männer, die ausrangierte Uniformteile tragen und alle ein sowjetisches Sturmgewehr des Typs AK-47 mit sich führen. Sie sind die Killer.

Ein Stück weiter vorn, wegen des Buschwerks kaum zu sehen, dösen im sonnenscheingefleckten Schatten mehrere Elefantenfamilien. Sanft wiegen sich die Tiere hin und her und wedeln rhythmisch mit den Riesenohren, um Insekten zu vertreiben. Plötzlich wird die Stille zerrissen von dem ohrenbetäubenden Rattern automatischer Gewehre und den schrillen Schreien verwundeter Tiere. Die meisten Elefanten brechen sofort zusammen. Andere taumeln ins Unterholz, wo sie unter Schmerzen verenden.

Mit heulenden Kettensägen werden die Köpfe aufgeschnitten und die Stoßzähne aus den Kadavern gerissen. Nicht einmal die Kälber bleiben verschont, obgleich ihre Zähne nicht länger sind als ein Polizeiknüppel. Minuten später schultern die Wilderer ihre blutige Beute und verschwinden im Busch.
Bis Sonnenuntergang haben sie das „weiße Gold" in einem provisorischen Versteck vergraben. Am nächsten Tag setzt der Trupp sein Vernichtungswerk im Hunderte von Quadratkilometern großen Wildreservat fort.

Die Wilderer bekommen für jedes Kilogramm Elfenbein etwa elf Dollar - viel mehr, als sie auf andere Weise verdienen könnten. Am meisten jedoch verdient die arabische Import-Export-Firma Al-Waffa Enterprises, die ihren Sitz in Daressa-lam hat. Al-Waffa ist bekannt dafür, daß sie Wilderem in Ostafrika ihre Beute abnimmt. Sie hat die Stoßzähne - wie Tausende anderer auch - bereits mit beträchtlichem Gewinn weiterverkauft.

Das Elfenbein wird auf Lastwagen verladen und an die Küste des Indischen Ozeans gebracht. Das Ziel ist eine Farm unweit der Hafenstadt Pangani rund 440 Kilometer nördlich des Reservats, wo auch die Stoßzähne anderer Elefanten lagern - insgesamt 70 Tonnen.

Die meisten Stoßzähne hat Al-Redha gekauft, ein Handelsunternehmen für Wildtierprodukte mit Sitz in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Mit Fischerbooten wird die Ware auf ein Schiff geschafft, das sie dann 5000 Kilometer weit in den Persischen Golf bringt. Dort ist das Risiko einer Entdeckung gering, denn die Küste wird nicht bewacht.

Elfenbeinsammelstelle Wenn das Elfenbein in der kleinen Hafenstadt Sharjah in den VAE eintrifft, wird es von einem Kunden der Al-Redha in Empfang genommen: einem Elfenbeinhandelssyndikat mit Sitz in Hongkong, das in Dubai und Ajman Schnitzfabriken unterhält. Das fertig verarbeitete Elfenbein, durch Mittelsmänner im Fernen Osten vertrieben, erzielt Preise, die um ein Vielfaches über dem Preis für Rohelfenbein liegen. Wird es dann in Form von Schmuck, Statuetten und Namensstempeln an Sammler und Touristen weiterverkauft, so erhöht sich die Gewinnspanne noch einmal.

Praktisch ausgestorben. Schon seit Jahrhunderten werden Elefanten ihrer Stoßzähne wegen gejagt. Erst in unserem Jahrhundert haben England und andere Kolonialmächte versucht, dem Gemetzel Einhalt zu gebieten, indem sie Wildschutzgesetze erließen und große Schutzgebiete einrichteten. Aber die unabhängig gewordenen Länder Kenia und Tan-sania betrachteten Naturschutzbehörden und Maßnahmen gegen die Wilderei als Luxus, den sie sich nicht leisten konnten. Korruption und mangelhafte Aufsicht waren offene Einladungen für Elfenbeinschmuggler und Spekulanten.

Zwischen 1977 und 1987 hat Ostafrika 78 Prozent seiner Elefanten in den ungeschützten Gebieten verloren. Die Zentralafrikanische Republik, Sudan, Somalia, Tschad und Sambia haben mehr als zwei Drittel ihrer Bestände eingebüßt.

Über 80 Prozent aller Elfenbeinerzeugnisse, die weltweit verkauft werden, sind aus gewilderten Stoßzähnen geschnitzt. Wenn das Abschlachten in diesem Tempo weitergeht, könnte der afrikanische Elefant in 15 Jahren praktisch ausgestorben sein.

Elfenbeinmarkt Der internationale Handel mit gewildertem Elfenbein hat drei Stützen:
Die Killer. Gewöhnlich sind die Wilderer Einheimische. Sie werden von Händlern angeworben, die oft als Ladenbesitzer in Orten im Busch auftreten. Die meisten Wilderer sind erfahrene Jäger und kennen die Lieblingsplätze ihrer Beute. Die gefährlichsten Wildererbanden rekrutieren sich aus den Stämmen Somalias. Diese schwer bewaffneten sogenannten Shiftas sind buscherfahrene Veteranen brutaler Grenz- und Stammeskämpfe. Jahrelang haben sie vor allem in Kenia und Tansania auf Tausenden von Quadratkilometern ganze Elefantenpopulationen systematisch vernichtet - in Nationalparks und Wildreservaten wie in ungeschützten Gebieten.

Die Händler. Bankleute, Diplomaten, Regierungsbeamte, ja sogar führende Politiker einiger der am stärksten betroffenen Länder verdienen am Elfenbeinhandel Millionen. Andere Politiker sind sogar in die Wilderei selbst verwickelt. In einem von Naturschützern gern angeführten Fall hat ein Staatsoberhaupt Händlern erlaubt. Stoßzähne von Elefanten einzuführen, die zuvor in Nachbarländern gewildert worden waren, und ihnen obendrein die Bezahlung der Zähne aus Staatsmitteln zugesichert.

Im Januar 1989 wäre es Indonesiens Botschafter in Tansania, Joesoef Hussein, beinahe gelungen, die einträglichste Transaktion seiner Laufbahn zu Ende zu führen. Aber die Polizei verhinderte das im letzten Augenblick: Sie beschlagnahmte 184 Elefantenstoßzähne in einem Umzugscontainer, der zurück nach Jakarta gehen sollte. In seiner offiziellen Residenz hatte der Botschafter eine komplett ausgestattete Elfenbeinschnitzerei eingerichtet. Wohin die Tonnen von Elfenbein gegangen waren, die er im Lauf der Zeit versandt hatte, konnte die Polizei nicht mehr genau feststellen, denn die Zeugen wollten aus Angst nicht aussagen. Husseins Partner, ein hoher tansanischer Beamter, hatte ihnen den Tod angedroht für den Fall, daß sie reden sollten. Dem Botschafter, der sich auf seine diplomatische Immunität berief, wurde gestattet, das Land zu verlassen.

Die Vorgänge in der indonesischen Botschaft waren keine Ausnahme. 1988 beschlagnahmten die tansanischen Behörden 13 Stoßzähne bei Angehörigen der pakistanischen und zwei Stoßzähne bei Angehörigen der iranischen Botschaft, als sie sie aus dem Land zu schmuggeln versuchten. Im selben Jahr wurde ein tansanischer Parlamentarier festgenommen, in dessen Besitz man 105 Stoßzähne gefunden hatte. In Zaire zweigten hohe Beamte Tonnen eines hochgiftigen Schädlingsbekämpfungsmittels für Wilderer ab und ließen sie damit Wasserlöcher im Wald präparieren. Tausende von Elefanten verendeten. Dann charterten die Beamten eine Rotte von Transportflugzeugen und ließen die Stoßzähne zu europäischen und chinesischen Mittelsmännern fliegen.

Die Drahtzieher. Ganz oben im Elfenbeinhandel rangiert eine Handvoll Familien - meist in Hongkong ansässige Chinesen -, die den verzweigten internationalen Handel kontrollieren. Sie sind märchenhaft reich, und die Gesetze scheinen für sie nicht zu gelten.

Der Berüchtigtste dieser Tycoons war Tat Hong Poon, ein Hongkonger Grundstücksspekulant und Besitzer einer Kette von Juwelierläden. Seine Verwicklung in den Handel mit gewilderten Stoßzähnen wurde durch ein Netz von stillen Teilhaberschaften und Holdinggesellschaften geschickt getarnt. Wenn ein Land den Import von Rohelfenbein oder Elfenbeinprodukten verbietet, verlegte Poon seine Fabriken und Ausstellungsräume einfach in ein anderes. Macao, die Hong-kong benachbarte portugiesische Enklave an der Küste Chinas, untersagte 1986 den Handel mit Rohelfenbein. Poon schloß seine Schnitzereien und verlegte sie nach Dubai und Ajman am Persischen Golf. Zwei Jahre lang arbeiteten die mit über 60 Schnitzern aus Hongkong und vielen angelernten Arbeitern aus Indien und Sri Lanka besetzten Betriebe in Doppelschichten. Das bearbeitete Elfenbein wurde nach Singapur, Taiwan und Südkorea geschickt und größtenteils via Hongkong nach Japan weiterexportiert.

Handel mit dem weißen Gold Von Reportern befragt, behauptete Poon 1988, er habe mit illegalem Elfenbeinhandel nichts zu tun. Im darauffolgenden Jahr erklärte er, er werde den Handel mit Elfenbein ganz aufgeben. „Wir wollen damit Schluß machen. Es ist ein verabscheuungswürdiges Geschäft!" Einen Monat später beschlagnahmten Zollbeamte in Belgien eine Poonsche Sendung von Elfenbeinhalbfabrikaten, die aus Dubai kam und an eine Tarnfirma in Singapur gehen sollte. Den Transitpapieren zufolge handelte es sich um „Modeschmuck". Dann erfuhren die Beamten von etwa zehn früheren Sendungen - insgesamt sechs Tonnen, das heißt, 1100 Elefanten weniger!

Bis vor kurzem konnte in die VAE, nach Singapur und nach Japan, um nur einige Länder zu nennen, Elfenbein legal eingerührt werden. Die Elfenbeinwilderei ist zwar in Afrika ungesetzlich, aber einmal aus dem Schwarzen Erdteil herausgeschmuggelt und von Händlern angekauft, waren die Stoßzähne legalisiert. Mit Abstand die besten Kunden von Schiebern wie Poon sind die großen japanischen Elfenbeinhändler gewesen, die rund 40 Prozent des Rohelfenbeins auf dem Weltmarkt aufkauften. Mit Vorauszahlungen bis zu 20 Prozent bei Auftragserteilung haben Schieber in Hongkong einen großen Teil der Wilderei und des Handels finanziert. Vor ein paar Monaten hat die Polizei von Kobe in einem Lagerhaus 12.000 illegal eingeführte Namensstempel aus Elfenbein beschlagnahmt.

Im Herbst 1989 beschlossen die Unterzeichner des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES), den gesamten Im- und Export von Elfenbein zu verbieten. Seitdem sind die Elfenbeinpreise beträchtlich gefallen, und das Wildern ist zurückgegangen. Dennoch wird weiter gemordet, denn der Händler paßt sich der neuen Lage an. Würde ein weltweites Verbot dem Töten der Elefanten ein Ende machen? Und ließe es sich durchsetzen?

Die Zeit wird knapp. Länder, die das Artenschutzübereinkommen nicht unterzeichnet haben - wie zum Beispiel Südkorea und Taiwan -, sind wahrscheinlich nach wie vor Großabnehmer gewilderter Stoßzähne. Viele Naturschutzexperten sind der Meinung, daß ein Verbot des Elfenbeinhandels keine langfristige Lösung ist. Einige Länder - freilich nur wenige - haben den Wert eines planmäßigen Naturschutzes schon vor Jahren erkannt. Südafrika etwa bewahrt sich in gut verwalteten und bewachten Schutzgebieten wie dem Krüger-Nationalpark eine Elefantenpopulation von rund 80.00 Tieren. Um die Herden und das verfügbare Weideland in einem gesunden Gleichgewicht zu halten, sondern Wildhüter alljährlich etwa 600 Tiere aus. Mit dem Erlös der Stoßzähne, die an legale Händler versteigert werden, finanziert man Naturschutzmaßnahmen. Südafrika schützt seine Elefantenbestände rigoros. Seit 1983 ist in den Wildreservaten des Landes kein Elefant mehr von Wilderern getötet worden.

Botswana und Simbabwe verfolgen eine ähnliche Politik. Simbabwe, das zur Bekämpfung des Wilderns Truppen einsetzt, konnte seine Elefantenpopulation in den letzten zehn Jahren von 30.000 auf 50.000 Tiere vermehren. In Anbetracht ihrer Erfolge haben es alle drei Länder abgelehnt, sich dem CITES-Verbot anzuschließen. Naturschutzbeamte in Südafrika sind der Meinung, daß ein Elfenbeinhandelsverbot praktisch die Länder bestrafen würde, die am meisten für den Schutz des Elefanten getan haben. Außerdem würden die Elfenbeinhändler lediglich einen neuen Schwarzmarkt aufbauen. So vermutet man, daß die Familie Poon in der ersten Hälfte des Jahres 1990 damit begonnen hatte, ihre Geschäfte von Hongkong nach Kanton auf dem chinesischen Festland zu verlagern.

Nach Ansicht von Naturschutzbehörden könnte das Problem nur durch eine wirksame Kontrolle des Handels selbst, durch Beseitigung der Korruption, durch Modernisierung und ausreichende Finanzierung der zuständigen Behörden und vor allem durch schnelle Bestrafung der Wilderer und ihrer Hintermänner gelöst werden. In vielen afrikanischen Ländern gibt es nur laxe oder gar keine Gesetze gegen das Wildern. In Kenia jedoch haben die Wildhüter das Recht, ohne Warnung auf Wilderer zu schießen. Aber die Organisatoren der Raubzüge und die Händler riskieren kaum etwas. Selbst Händler der mittleren Ebene erhalten nur selten höhere Geldstrafen. 1988 fanden Beamte in Botswana auf einem Lastwagen zwei Tonnen Elfenbein im Wert von 2,2 Millionen Dollar - die größte je in diesem Land beschlagnahmte Menge. Der Besitzer des Fahrzeugs bekannte sich schuldig und kam mit einer Strafe von 2600 Dollar davon. Es sind die Händler, die ausgeliefert und vor Gericht gestellt werden müssen.

Der im Oktober 1989 verkündete CITES-Boykott war in jedem Fall nicht ausreichend und kam zu spät, um die 520 Elefanten zu retten, deren Stoßzähne kurz vor der Zusammenkunft der CITES-Mitgliedsstaaten von der namibischen Polizei entdeckt worden waren. Auch konnte der Boykott das Massaker an 1015 anderen Tieren nicht verhindern, deren Stoßzähne man im Januar 1990 auf einer Insel vor der Küste von Tansania entdeckte. Und im darauffolgenden März wurde in Kenia bekanntgegeben, daß Wilderer im Tsavo-Nationalpark in den ersten drei Monaten des Jahres 1990 57 Elefanten getötet hatten. Kein Zweifel, Händler und Wilderer machen sich weiterhin Gesetzeslücken zunutze - mit oder ohne CITES-Verbot.

WENN nicht alle Länder der Erde im Kampf gegen Wilderer und Schwarzhändler an einem Strang ziehen und wenn sie nicht alle ihre Nachfrage nach Elfenbein drosseln, sind die Tage des afrikanischen Elefanten gezählt. „In vielen Revieren", sagt der bekannte Zoologe Kain Douglas-Hamilton, „leben nur noch so wenige Elefanten, daß wir sie nicht nur der Zahl, sondern dem Namen nach kennen."

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Elfenbein und der Kreig um das weiße Gold: Sieger bleibt die Großindustrie, Verlierer sind die Tiere
 

Elfenbeinkrieg - der Kampf um das weiße Gold

(aus Readers Digest)


Zielscheibe Elfenbein Eines der imposantesten Geschöpfe könnte bald von der Erdoberfläche verschwunden sein. Gab es in Afrika einst Millionen von Elefanten, so zählt man jetzt keine 600.000 mehr. Allein 1989 haben Wilderer fast 100.000 abgeschlachtet.

Was steckt dahinter? Und kann das im Oktober 1989 von über 100 Ländern vereinbarte Verbot des Elfenbeinhandels die Elefanten retten, bevor es zu spät ist?




Um das herauszufinden, ist Nathan M. Adams der blutigen Spur des Elfenbeins von den Weiten Ostafrikas bis zu geheimen Schnitzzentren am Persischen Golf, Juwelierläden in Hongkong und Hotelkiosken in Tokio nachgegangen.

HM SELOUS-WILDRESERVAT, TANSANIA.
Es ist Mittag, und die Hitze und Stille sind erdrückend. Die meisten Tiere suchen im trockenen Gestrüpp Schutz vor der glutheißen Sonne. Nichts rührt sich. Es ist die Zeit der Waffenruhe - selbst die Raubtiere rasten jetzt. Nur der Mensch nicht.

Die Augen auf die Spuren am Boden gerichtet, dabei aber bemüht, den Domen auszuweichen, huschen kleine, drahtige Eingeborene durch das niedrige Buschwerk. Sie sind die Fährtensucher. Ihnen folgen in kurzer Entfernung sechs oder sieben Männer, die ausrangierte Uniformteile tragen und alle ein sowjetisches Sturmgewehr des Typs AK-47 mit sich führen. Sie sind die Killer.

Ein Stück weiter vorn, wegen des Buschwerks kaum zu sehen, dösen im sonnenscheingefleckten Schatten mehrere Elefantenfamilien. Sanft wiegen sich die Tiere hin und her und wedeln rhythmisch mit den Riesenohren, um Insekten zu vertreiben. Plötzlich wird die Stille zerrissen von dem ohrenbetäubenden Rattern automatischer Gewehre und den schrillen Schreien verwundeter Tiere. Die meisten Elefanten brechen sofort zusammen. Andere taumeln ins Unterholz, wo sie unter Schmerzen verenden.

Mit heulenden Kettensägen werden die Köpfe aufgeschnitten und die Stoßzähne aus den Kadavern gerissen. Nicht einmal die Kälber bleiben verschont, obgleich ihre Zähne nicht länger sind als ein Polizeiknüppel. Minuten später schultern die Wilderer ihre blutige Beute und verschwinden im Busch.
Bis Sonnenuntergang haben sie das „weiße Gold" in einem provisorischen Versteck vergraben. Am nächsten Tag setzt der Trupp sein Vernichtungswerk im Hunderte von Quadratkilometern großen Wildreservat fort.

Die Wilderer bekommen für jedes Kilogramm Elfenbein etwa elf Dollar - viel mehr, als sie auf andere Weise verdienen könnten. Am meisten jedoch verdient die arabische Import-Export-Firma Al-Waffa Enterprises, die ihren Sitz in Daressa-lam hat. Al-Waffa ist bekannt dafür, daß sie Wilderem in Ostafrika ihre Beute abnimmt. Sie hat die Stoßzähne - wie Tausende anderer auch - bereits mit beträchtlichem Gewinn weiterverkauft.

Das Elfenbein wird auf Lastwagen verladen und an die Küste des Indischen Ozeans gebracht. Das Ziel ist eine Farm unweit der Hafenstadt Pangani rund 440 Kilometer nördlich des Reservats, wo auch die Stoßzähne anderer Elefanten lagern - insgesamt 70 Tonnen.

Die meisten Stoßzähne hat Al-Redha gekauft, ein Handelsunternehmen für Wildtierprodukte mit Sitz in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Mit Fischerbooten wird die Ware auf ein Schiff geschafft, das sie dann 5000 Kilometer weit in den Persischen Golf bringt. Dort ist das Risiko einer Entdeckung gering, denn die Küste wird nicht bewacht.

Elfenbeinsammelstelle Wenn das Elfenbein in der kleinen Hafenstadt Sharjah in den VAE eintrifft, wird es von einem Kunden der Al-Redha in Empfang genommen: einem Elfenbeinhandelssyndikat mit Sitz in Hongkong, das in Dubai und Ajman Schnitzfabriken unterhält. Das fertig verarbeitete Elfenbein, durch Mittelsmänner im Fernen Osten vertrieben, erzielt Preise, die um ein Vielfaches über dem Preis für Rohelfenbein liegen. Wird es dann in Form von Schmuck, Statuetten und Namensstempeln an Sammler und Touristen weiterverkauft, so erhöht sich die Gewinnspanne noch einmal.

Praktisch ausgestorben. Schon seit Jahrhunderten werden Elefanten ihrer Stoßzähne wegen gejagt. Erst in unserem Jahrhundert haben England und andere Kolonialmächte versucht, dem Gemetzel Einhalt zu gebieten, indem sie Wildschutzgesetze erließen und große Schutzgebiete einrichteten. Aber die unabhängig gewordenen Länder Kenia und Tan-sania betrachteten Naturschutzbehörden und Maßnahmen gegen die Wilderei als Luxus, den sie sich nicht leisten konnten. Korruption und mangelhafte Aufsicht waren offene Einladungen für Elfenbeinschmuggler und Spekulanten.

Zwischen 1977 und 1987 hat Ostafrika 78 Prozent seiner Elefanten in den ungeschützten Gebieten verloren. Die Zentralafrikanische Republik, Sudan, Somalia, Tschad und Sambia haben mehr als zwei Drittel ihrer Bestände eingebüßt.

Über 80 Prozent aller Elfenbeinerzeugnisse, die weltweit verkauft werden, sind aus gewilderten Stoßzähnen geschnitzt. Wenn das Abschlachten in diesem Tempo weitergeht, könnte der afrikanische Elefant in 15 Jahren praktisch ausgestorben sein.

Elfenbeinmarkt Der internationale Handel mit gewildertem Elfenbein hat drei Stützen:
Die Killer. Gewöhnlich sind die Wilderer Einheimische. Sie werden von Händlern angeworben, die oft als Ladenbesitzer in Orten im Busch auftreten. Die meisten Wilderer sind erfahrene Jäger und kennen die Lieblingsplätze ihrer Beute. Die gefährlichsten Wildererbanden rekrutieren sich aus den Stämmen Somalias. Diese schwer bewaffneten sogenannten Shiftas sind buscherfahrene Veteranen brutaler Grenz- und Stammeskämpfe. Jahrelang haben sie vor allem in Kenia und Tansania auf Tausenden von Quadratkilometern ganze Elefantenpopulationen systematisch vernichtet - in Nationalparks und Wildreservaten wie in ungeschützten Gebieten.

Die Händler. Bankleute, Diplomaten, Regierungsbeamte, ja sogar führende Politiker einiger der am stärksten betroffenen Länder verdienen am Elfenbeinhandel Millionen. Andere Politiker sind sogar in die Wilderei selbst verwickelt. In einem von Naturschützern gern angeführten Fall hat ein Staatsoberhaupt Händlern erlaubt. Stoßzähne von Elefanten einzuführen, die zuvor in Nachbarländern gewildert worden waren, und ihnen obendrein die Bezahlung der Zähne aus Staatsmitteln zugesichert.

Im Januar 1989 wäre es Indonesiens Botschafter in Tansania, Joesoef Hussein, beinahe gelungen, die einträglichste Transaktion seiner Laufbahn zu Ende zu führen. Aber die Polizei verhinderte das im letzten Augenblick: Sie beschlagnahmte 184 Elefantenstoßzähne in einem Umzugscontainer, der zurück nach Jakarta gehen sollte. In seiner offiziellen Residenz hatte der Botschafter eine komplett ausgestattete Elfenbeinschnitzerei eingerichtet. Wohin die Tonnen von Elfenbein gegangen waren, die er im Lauf der Zeit versandt hatte, konnte die Polizei nicht mehr genau feststellen, denn die Zeugen wollten aus Angst nicht aussagen. Husseins Partner, ein hoher tansanischer Beamter, hatte ihnen den Tod angedroht für den Fall, daß sie reden sollten. Dem Botschafter, der sich auf seine diplomatische Immunität berief, wurde gestattet, das Land zu verlassen.

Die Vorgänge in der indonesischen Botschaft waren keine Ausnahme. 1988 beschlagnahmten die tansanischen Behörden 13 Stoßzähne bei Angehörigen der pakistanischen und zwei Stoßzähne bei Angehörigen der iranischen Botschaft, als sie sie aus dem Land zu schmuggeln versuchten. Im selben Jahr wurde ein tansanischer Parlamentarier festgenommen, in dessen Besitz man 105 Stoßzähne gefunden hatte. In Zaire zweigten hohe Beamte Tonnen eines hochgiftigen Schädlingsbekämpfungsmittels für Wilderer ab und ließen sie damit Wasserlöcher im Wald präparieren. Tausende von Elefanten verendeten. Dann charterten die Beamten eine Rotte von Transportflugzeugen und ließen die Stoßzähne zu europäischen und chinesischen Mittelsmännern fliegen.

Die Drahtzieher. Ganz oben im Elfenbeinhandel rangiert eine Handvoll Familien - meist in Hongkong ansässige Chinesen -, die den verzweigten internationalen Handel kontrollieren. Sie sind märchenhaft reich, und die Gesetze scheinen für sie nicht zu gelten.

Der Berüchtigtste dieser Tycoons war Tat Hong Poon, ein Hongkonger Grundstücksspekulant und Besitzer einer Kette von Juwelierläden. Seine Verwicklung in den Handel mit gewilderten Stoßzähnen wurde durch ein Netz von stillen Teilhaberschaften und Holdinggesellschaften geschickt getarnt. Wenn ein Land den Import von Rohelfenbein oder Elfenbeinprodukten verbietet, verlegte Poon seine Fabriken und Ausstellungsräume einfach in ein anderes. Macao, die Hong-kong benachbarte portugiesische Enklave an der Küste Chinas, untersagte 1986 den Handel mit Rohelfenbein. Poon schloß seine Schnitzereien und verlegte sie nach Dubai und Ajman am Persischen Golf. Zwei Jahre lang arbeiteten die mit über 60 Schnitzern aus Hongkong und vielen angelernten Arbeitern aus Indien und Sri Lanka besetzten Betriebe in Doppelschichten. Das bearbeitete Elfenbein wurde nach Singapur, Taiwan und Südkorea geschickt und größtenteils via Hongkong nach Japan weiterexportiert.

Handel mit dem weißen Gold Von Reportern befragt, behauptete Poon 1988, er habe mit illegalem Elfenbeinhandel nichts zu tun. Im darauffolgenden Jahr erklärte er, er werde den Handel mit Elfenbein ganz aufgeben. „Wir wollen damit Schluß machen. Es ist ein verabscheuungswürdiges Geschäft!" Einen Monat später beschlagnahmten Zollbeamte in Belgien eine Poonsche Sendung von Elfenbeinhalbfabrikaten, die aus Dubai kam und an eine Tarnfirma in Singapur gehen sollte. Den Transitpapieren zufolge handelte es sich um „Modeschmuck". Dann erfuhren die Beamten von etwa zehn früheren Sendungen - insgesamt sechs Tonnen, das heißt, 1100 Elefanten weniger!

Bis vor kurzem konnte in die VAE, nach Singapur und nach Japan, um nur einige Länder zu nennen, Elfenbein legal eingerührt werden. Die Elfenbeinwilderei ist zwar in Afrika ungesetzlich, aber einmal aus dem Schwarzen Erdteil herausgeschmuggelt und von Händlern angekauft, waren die Stoßzähne legalisiert. Mit Abstand die besten Kunden von Schiebern wie Poon sind die großen japanischen Elfenbeinhändler gewesen, die rund 40 Prozent des Rohelfenbeins auf dem Weltmarkt aufkauften. Mit Vorauszahlungen bis zu 20 Prozent bei Auftragserteilung haben Schieber in Hongkong einen großen Teil der Wilderei und des Handels finanziert. Vor ein paar Monaten hat die Polizei von Kobe in einem Lagerhaus 12.000 illegal eingeführte Namensstempel aus Elfenbein beschlagnahmt.

Im Herbst 1989 beschlossen die Unterzeichner des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES), den gesamten Im- und Export von Elfenbein zu verbieten. Seitdem sind die Elfenbeinpreise beträchtlich gefallen, und das Wildern ist zurückgegangen. Dennoch wird weiter gemordet, denn der Händler paßt sich der neuen Lage an. Würde ein weltweites Verbot dem Töten der Elefanten ein Ende machen? Und ließe es sich durchsetzen?

Die Zeit wird knapp. Länder, die das Artenschutzübereinkommen nicht unterzeichnet haben - wie zum Beispiel Südkorea und Taiwan -, sind wahrscheinlich nach wie vor Großabnehmer gewilderter Stoßzähne. Viele Naturschutzexperten sind der Meinung, daß ein Verbot des Elfenbeinhandels keine langfristige Lösung ist. Einige Länder - freilich nur wenige - haben den Wert eines planmäßigen Naturschutzes schon vor Jahren erkannt. Südafrika etwa bewahrt sich in gut verwalteten und bewachten Schutzgebieten wie dem Krüger-Nationalpark eine Elefantenpopulation von rund 80.00 Tieren. Um die Herden und das verfügbare Weideland in einem gesunden Gleichgewicht zu halten, sondern Wildhüter alljährlich etwa 600 Tiere aus. Mit dem Erlös der Stoßzähne, die an legale Händler versteigert werden, finanziert man Naturschutzmaßnahmen. Südafrika schützt seine Elefantenbestände rigoros. Seit 1983 ist in den Wildreservaten des Landes kein Elefant mehr von Wilderern getötet worden.

Botswana und Simbabwe verfolgen eine ähnliche Politik. Simbabwe, das zur Bekämpfung des Wilderns Truppen einsetzt, konnte seine Elefantenpopulation in den letzten zehn Jahren von 30.000 auf 50.000 Tiere vermehren. In Anbetracht ihrer Erfolge haben es alle drei Länder abgelehnt, sich dem CITES-Verbot anzuschließen. Naturschutzbeamte in Südafrika sind der Meinung, daß ein Elfenbeinhandelsverbot praktisch die Länder bestrafen würde, die am meisten für den Schutz des Elefanten getan haben. Außerdem würden die Elfenbeinhändler lediglich einen neuen Schwarzmarkt aufbauen. So vermutet man, daß die Familie Poon in der ersten Hälfte des Jahres 1990 damit begonnen hatte, ihre Geschäfte von Hongkong nach Kanton auf dem chinesischen Festland zu verlagern.

Nach Ansicht von Naturschutzbehörden könnte das Problem nur durch eine wirksame Kontrolle des Handels selbst, durch Beseitigung der Korruption, durch Modernisierung und ausreichende Finanzierung der zuständigen Behörden und vor allem durch schnelle Bestrafung der Wilderer und ihrer Hintermänner gelöst werden. In vielen afrikanischen Ländern gibt es nur laxe oder gar keine Gesetze gegen das Wildern. In Kenia jedoch haben die Wildhüter das Recht, ohne Warnung auf Wilderer zu schießen. Aber die Organisatoren der Raubzüge und die Händler riskieren kaum etwas. Selbst Händler der mittleren Ebene erhalten nur selten höhere Geldstrafen. 1988 fanden Beamte in Botswana auf einem Lastwagen zwei Tonnen Elfenbein im Wert von 2,2 Millionen Dollar - die größte je in diesem Land beschlagnahmte Menge. Der Besitzer des Fahrzeugs bekannte sich schuldig und kam mit einer Strafe von 2600 Dollar davon. Es sind die Händler, die ausgeliefert und vor Gericht gestellt werden müssen.

Der im Oktober 1989 verkündete CITES-Boykott war in jedem Fall nicht ausreichend und kam zu spät, um die 520 Elefanten zu retten, deren Stoßzähne kurz vor der Zusammenkunft der CITES-Mitgliedsstaaten von der namibischen Polizei entdeckt worden waren. Auch konnte der Boykott das Massaker an 1015 anderen Tieren nicht verhindern, deren Stoßzähne man im Januar 1990 auf einer Insel vor der Küste von Tansania entdeckte. Und im darauffolgenden März wurde in Kenia bekanntgegeben, daß Wilderer im Tsavo-Nationalpark in den ersten drei Monaten des Jahres 1990 57 Elefanten getötet hatten. Kein Zweifel, Händler und Wilderer machen sich weiterhin Gesetzeslücken zunutze - mit oder ohne CITES-Verbot.

WENN nicht alle Länder der Erde im Kampf gegen Wilderer und Schwarzhändler an einem Strang ziehen und wenn sie nicht alle ihre Nachfrage nach Elfenbein drosseln, sind die Tage des afrikanischen Elefanten gezählt. „In vielen Revieren", sagt der bekannte Zoologe Kain Douglas-Hamilton, „leben nur noch so wenige Elefanten, daß wir sie nicht nur der Zahl, sondern dem Namen nach kennen."

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