Ein Leben für Afrikas Tiere - Mark & Delia Owen

(aus Readers Digest)


Im Flugzeug über dem Leben der Savanne Es ist die Stunde der langen Schatten, wenn die orangerote Sonne hinter dem Steilhang versinkt und die feuchte Augustluft abkühlt. In solchen Nächten hört man Geräusche über weite Entfernungen. Eine gute Zeit für Löwen.

IIIIIaaaamrr! Wuh, wuh.

Mark und Delia Owens kauern im Busch und lassen Löwengebrüll vom Band tönen. Die beiden amerikanischen Biologen hoffen, damit einen Löwen anzulocken, den sie dann mit einem Pfeil betäuben und mit einem Sender versehen wollen. Doch die Löwen sind wachsam, zu oft schon sind sie von Wilderem angeschossen worden. "Wenn Sie sich nach dem Pfeilschuß nicht mucksmäuschenstill verhalten", flüstert Mark einem Besucher zu, "haben wir den Löwen hier im Versteck." Er zögert und lacht dann leise. "Sollte das passieren, dann rette sich, wer kann."

Der 46 Jahre alte Mark Owens ist schlank, 1,88 Meter groß, hat einen blonden Bart und blaue Augen. Delia ist 42, 1,63 Meter groß und zierlich und hat kastanienbraunes Haar. Zusammen haben sie 1984 den Bestseller "Der Ruf der Kalahari" geschrieben, eine Erinnerung an die sieben Jahre, die sie in der Wüste Botsuanas Hyänen und Löwen studierten.

Jetzt leben sie in einer anderen abgelegenen Gegend Afrikas, im Nationalpark Nordluangwa in Sambia. Mark und Delia sind hier, um Wilderer zu verjagen und 6200 Quadratkilometer unberührte Wildnis in einen Wildpark zu verwandeln.

Die Owens wohnen in einem kleinen Holzhaus am Lubonga, inmitten einer Gruppe von Hütten aus Stein und Stroh. Sie und ihre acht Mitarbeiter sind die einzigen, die das ganze Jahr über im Park leben, in dem weite Teile nur zu Fuß oder mit Marks einmotoriger Cessna zu erreichen sind. Der nächste Ort ist sechs strapaziöse Autostunden entfernt. Undurchdringlicher Busch und angeschwollene Flüsse halten jedoch die Wilderer nicht ab, die mit automatischen Gewehren hinter Elefantenstoßzähnen und Wildfleisch her sind. In den letzten 20 Jahren haben sie 95 Prozent aller Spitzmaulnashömer Afrikas und die Hälfte seiner l,3 Millionen Elefanten getötet.

Mark und Delia haben sich 1971 an der Universität Georgia in den USA kennengelernt. Die Zoologiestudentin Delia und Mark, der angehende Lehrer für Naturwissenschaften, hatten denselben Traum: die bedrohte Tierwelt Afrikas zu studieren. 1972 heirateten sie, ein Jahr später verkauften sie ihr gesamtes Hab und Gut und brachen mit zwei Flugtickets, einem kleinen Zelt, einer Garnitur Kleidung zum Wechseln und 6000 Dollar nach Afrika auf.

Sie ließen sich in der Kalahari nieder, im Deception Valley (Täuschungstal), einer Region von der Größe Irlands, wo es allerdings keine Wasserversorgung und keine Straßen gab, nur hier und da ein paar nomadisierende Buschmänner. Fast wären sie verhungert und verdurstet. In der Regenzeit wurde ihr Zelt beinahe von Sturmböen weggerissen, in den heißen, trockenen Monaten, wenn die Quecksilbersäule auf 50 Grad stieg, von Steppenbränden bedroht.

Dennoch leisteten die beiden jungen Wissenschaftler Pionierarbeit in der Wildnis, wo die Tiere noch nie beobachtet worden waren. Sie machten sich aber auch Feinde, weil sie Botsuana wegen der Behandlung seiner durstigen Gnus kritisierten, und wurden des Landes verwiesen. Damals hätten die Owens, die durch ihr Buch und eine Femsehdokumentation bekannt geworden waren, ohne weiteres gut bezahlte Stellen in den Vereinigten Staaten bekommen. Statt dessen gingen sie nach Sambia, einem Entwicklungsland mit 7,5 Millionen Einwohnern im südlichen Zentralafrika.

Seit 20 Jahren waren Sambias Wildreservate Schlachtfelder für Nashörner und Elefanten. 1986 bestand der Nordluangwa-Park nur dem Namen nach. Als die Owens im Juni 1986 dort ankamen, lebten sieben notdürftig ausgerüstete Wildhüter am Rand des Reservats, ohne Fahrzeuge, ohne Campingausrüstung und oft auch ohne Bezahlung. Um zu überleben, jagten sie im Park. "Jeder sagte uns, wir sollten den Nordluangwa vergessen, es sei aussichtslos", erinnert sich Delia. Bis dahin hatte der Erfolg der Owens darauf beruht, daß sie gute Ratschläge ignorierten. "Man darf einfach nicht zuhören, wenn die Leute sagen, etwas sei unmöglich", meinte Delia.

Trotz der Wilderer beherbergte der Park noch zahllose Kaffernbüffel, Impalas, Zebras, Kudus, Leoparden, Löwen und rund 5000 Elefanten. Mit den üppigen Wäldern, dem rauhen Dombuschland und den goldenen Steppen hatte diese Wildnis alles, wofür Touristen möglicherweise Geld ausgeben würden. Der Plan der Owens war, die Wilderer zu vertreiben und gleichzeitig den Tourismus zu fördern, um die sambische Wirtschaft anzukurbeln. So würden die Tiere bald lebendig mehr wert sein als tot.

Heute, fünf Jahre später, ist der Plan Wirklichkeit geworden. Vier Reiseveranstalter bringen Gruppen zu Wandersafaris ins Land, und erstmals ist ein Rückgang der Wilderei zu verzeichnen. "Die Owens kamen gerade zur rechten Zeit", meint ein Beamter der Nationalparkbehörde. "Ohne sie hätten wir den Nationalpark Nordluangwa schon abgeschrieben." Noch mehr freuen sich die Owens aber über die Reaktion der Einheimischen. So sagt Delia: "Stellen Sie sich vor, wie wir in die Dörfer mit hungernden Kindern kamen und sagten: "Wenn ihr aufhört zu wildem, werden Touristen kommen, und ihr werdet Arbeit und Nahrung haben." Anfangs waren sie noch mißtrauisch und ablehnend. Doch inzwischen haben sie es eingesehen."

Mark steuert mit seiner Cessna eine winzige Behelfslandebahn an. Heute morgen fliegt er Gruppen seiner 31 Wildhüter herum. ,Mwapoleni!" grüßt Mark in der Sprache der Einheimischen. Ein halbes Dutzend Wildhüter steigt aus, drei Gefangene in Handschellen im Schlepptau: einen alten Mann, einen jungen Mann und einen zwölfjährigen Jungen, alle barfuß und in Lumpen. Schwarzmarkthändler hatten ihnen fünf Dollar für eine Woche Nilpferdjagd gezahlt. "Wenn die Händler das Wild hier ausrotten", meint Mark, "zerstören sie die Zukunft der Dorfbewohner." Während er die Wilderer über diesen Umstand aufklärt, döst der alte Mann, und der Junge starrt finster vor sich hin.

Die sambische Regierung hat die Owens zu offiziellen Wildhütem gemacht. Das heißt, sie dürfen Verhaftungen vornehmen und Waffen tragen. Delia hat einen Revolver bei sich, und Mark trägt stets eine 9-Millimeter-Pistole im Halfter. Die Owens sind schon gewarnt worden, daß ihnen Wilderer nach dem Leben trachten. Präperiert für die nächste Jagd Bislang gab es jedoch noch keine Übergriffe. Ihr Flugzeug lassen sie rund um die Uhr bewachen, und ihre Reiserouten halten sie geheim. Sonst denken sie möglichst nicht daran.

Das ist natürlich nicht die einzige Gefahr in diesem Tal. Moskitos übertragen Malaria. Im Fluß lauem Krokodile. Mambas und Kobras lassen sich von Dachsparren fallen. Doch Delia fürchtet nichts mehr als Marks Flugzeug. Mark ist ein ausgezeichneter Pilot, doch wenn er Tiere oder Wilderer verfolgt, fliegt er oft in Baumwipfelhöhe, wo eine Luftblase in der Treibstoffleitung oder ein Geier im Propeller den Tod bedeuten kann. "Ich mag gar nicht daran denken, was ich tun würde, wenn Mark etwas zustieße", sagt Delia schaudernd. "Wir stehen uns so nah - als wären wir zwei Hälften eines Menschen."

Ihr Leben im Nordluangwa ist nie leicht. Das Trinkwasser aus dem schlammigen Fluß muß zum Schutz vor Ruhr gefiltert und 20 Minuten abgekocht werden. Essen wird über dem Lagerfeuer oder auf einem primitiven Herd gekocht. Die Versorgung ist schwierig. Der Arbeitstag der Owens beginnt um fünf Uhr morgens, wenn die Hyä-nen noch im Dunkel des Tals heulen. Solarbatterien speisen die Lampen und die beiden Computer in der Hütte, wo Mark und Delia Liegengelassenes aufarbeiten, bis um sieben die Mitarbeiter eintrudeln. Von da an verwenden sie ihre Energie auf den Papierkrieg mit der umständlichen Bürokratie, die Instandsetzung der Ausrüstung und Versuche, den Lustlosen oder Entmutigten unter den Wildhütem gut zuzureden.

Für Afrika haben sie auf vieles verzichtet. Der Naturschutz kommt für sie noch vor ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Eine Fortsetzung von Der "Ruf der Kalahari" ist seit Jahren überfällig. Delias Vater und Marks Eltern sind ge-storben, seit die beiden hier sind. Delia war weder auf der Hochzeit ihres Zwillingsbruders noch auf den meisten anderen Feiern wie Taufen, Beerdigungen und Feiertagstreffen, die die Familie zusammenhalten. Denken sie jemals daran aufzugeben? "Wenn Leute wie wir klein beigeben", sagt Mark, "heißt das für alle anderen, daß es keine Hoffnung mehr gibt."

In einer anderen kühlen Nacht werden die Lautsprecher wieder aufgestellt, und Delia wählt ein Medley aus Japsem und Gebrüll, um die Löwen anzulocken. Minuten später leuchten gelbe Augen im Scheinwerferlicht, und eine Löwin baut sich gelassen vor ihnen auf. Pock! Mark trifft sie mit dem Betäubungspfeil hinter der Schulter. Die Löwin zuckt, bäumt sich auf und stürzt zum Fluß. Wenn sie es bis dorthin schafft oder im Dickicht zusammenbricht, könnte sie ertrinken oder Hyänen zum Opfer fallen. Doch nach einem kurzen Sprint über Hügel und Warzenschweinlöcher entdecken sie die Löwin, die wie betrunken schwankt. Dann sackt sie zusammen.

Untersuchung einer betäubten Löwin
Mark und Delia messen sie, stellen anhand der Abnutzung der Zähne ihr Alter fest und binden ihr ein Gummihalsband mit einem eingebauten Sender um. Die übrigen Löwen beobachten alles aus der Entfernung. Nähert sich einer, dann blendet ein Helfer das Tier mit dem Scheinwerfer, und es zieht sich zurück. Mark und Delia arbeiten schweigend und konzentriert. Sie bemerken gar nicht, daß die Birne im Scheinwerfer kaputtgeht. Der Ersatzscheinwerfer funktioniert nicht, und so bleibt nur eine Taschenlampe, um die Raubtiere in Schach zu halten.

Am nächsten Morgen wollen die Owens die Löwen mit Hilfe der Funksignale durch den Busch verfolgen. Mark kämpft sich durch zweieinhalb Meter hohes Büffelgras, stößt auf eine Sandbank und schreckt ein schlafendes Nilpferd auf. Das Tier erwacht mit einem Brüllen. "Ganz ruhig, Mädchen", beschwichtigt Mark es und zieht sich zurück. Das Nilpferd galoppiert davon. Kurz darauf überrascht Mark zwei schlafende Löwen, die ihn drohend anknurren, bevor sie schließlich zwischen den Bäumen verschwinden.

Am Nachmittag waschen sich Mark und Delia im flachen Wasser den Staub ab, wobei sie stets nach Krokodilen Ausschau halten. Später sitzen sie am Ufer im Sand und sehen zu, wie der Sonnenuntergang die Wolken färbt. Da entdecken sie Rauch, ein Buschfeuer. "Wilderer!" stößt Mark hervor.

Eine Stunde vor der Morgendämmerung rollt Mark in der Cessna über die dunkle Piste, hebt ab und nimmt Kurs nach Südosten. Bei Tageslicht können sich die Wilderer vor einem Flugzeug verstecken. Manche glauben an Zaubertränke, die sie unsichtbar machen. In kalten Nächten aber und in einem Tal, das von Löwen wimmelt, müssen auch Wilderer ein Feuer machen. Mark steigt auf 1500 Meter, und eine Viertelstunde später hat er sie: ein Dutzend Lagerfeuer, die sich wie eine glitzernde Rubinhalskette über die schwarze Ebene ziehen. Die nächsten Tage verbringt er damit, die Menschenjagd zu organisieren. Die Wildhüter nehmen drei Wilderer fest, doch der Rest der Bande entkommt mit den Stoßzähnen von fünf Elefanten.

Die Owens halten das für den Auftakt zu einer weiteren Welle der Elefantenwüterei. Also starten sie einen neuen Feldzug, bieten jedem Jäger, der seine Waffe abgibt, eine Belohnung und einen gut bezahlten Job. In mehreren Dörfern heuern sie Informanten an. Die Wilderer rächen sich: Die Hütte eines Informanten wird von Gewehrfeuer durchlöchert. Wie immer schlafen die Owens mit geladenen Waffen neben dem Bett. Für Mark und Delia hört der Kampf nie auf. Sie träumen vom Bau einer Blockhütte in den Rocky Mountains, doch erst, so Mark, "wenn wir zu alt sind, um wieder in den Busch zu kriechen". Es gibt noch viel zu tun.

Am Ende eines weiteren Tages in Afrika beobachteten die beiden still, wie eine Zebrafamilie aus dem Lubonga trinkt. Ein Elefant kommt aus dem hohen Gras hervor. "Es ist Survivor!" flüstert Delia.

Die meisten Elefanten im Park flüchten beim ersten Anzeichen von Menschen. Doch der einsame Bulle, den die Owens so treffend den "Überlebenden" getauft haben, hat sich in den letzten Monaten regelmäßig gezeigt. "Das ist die Belohnung", sagt Mark und lächelt, als der Elefant den Rüssel in den schlammigen Fluß taucht. "Irgendwie passiert immer dann, wenn einem der Mut sinkt, ein Wunder und Afrika hat uns wieder."

Untersuchung einer betäubten Löwin

Home -- zurück zu Berichte
GOWEBCounter by INLINE
(c) Shirarch 21.09.2002

 
Mark & Delia Owen - ein Leben fü rdie Tiere Afrikas
 

Ein Leben für Afrikas Tiere - Mark & Delia Owen

(aus Readers Digest)


Im Flugzeug über dem Leben der Savanne Es ist die Stunde der langen Schatten, wenn die orangerote Sonne hinter dem Steilhang versinkt und die feuchte Augustluft abkühlt. In solchen Nächten hört man Geräusche über weite Entfernungen. Eine gute Zeit für Löwen.

IIIIIaaaamrr! Wuh, wuh.

Mark und Delia Owens kauern im Busch und lassen Löwengebrüll vom Band tönen. Die beiden amerikanischen Biologen hoffen, damit einen Löwen anzulocken, den sie dann mit einem Pfeil betäuben und mit einem Sender versehen wollen. Doch die Löwen sind wachsam, zu oft schon sind sie von Wilderem angeschossen worden. "Wenn Sie sich nach dem Pfeilschuß nicht mucksmäuschenstill verhalten", flüstert Mark einem Besucher zu, "haben wir den Löwen hier im Versteck." Er zögert und lacht dann leise. "Sollte das passieren, dann rette sich, wer kann."

Der 46 Jahre alte Mark Owens ist schlank, 1,88 Meter groß, hat einen blonden Bart und blaue Augen. Delia ist 42, 1,63 Meter groß und zierlich und hat kastanienbraunes Haar. Zusammen haben sie 1984 den Bestseller "Der Ruf der Kalahari" geschrieben, eine Erinnerung an die sieben Jahre, die sie in der Wüste Botsuanas Hyänen und Löwen studierten.

Jetzt leben sie in einer anderen abgelegenen Gegend Afrikas, im Nationalpark Nordluangwa in Sambia. Mark und Delia sind hier, um Wilderer zu verjagen und 6200 Quadratkilometer unberührte Wildnis in einen Wildpark zu verwandeln.

Die Owens wohnen in einem kleinen Holzhaus am Lubonga, inmitten einer Gruppe von Hütten aus Stein und Stroh. Sie und ihre acht Mitarbeiter sind die einzigen, die das ganze Jahr über im Park leben, in dem weite Teile nur zu Fuß oder mit Marks einmotoriger Cessna zu erreichen sind. Der nächste Ort ist sechs strapaziöse Autostunden entfernt. Undurchdringlicher Busch und angeschwollene Flüsse halten jedoch die Wilderer nicht ab, die mit automatischen Gewehren hinter Elefantenstoßzähnen und Wildfleisch her sind. In den letzten 20 Jahren haben sie 95 Prozent aller Spitzmaulnashömer Afrikas und die Hälfte seiner l,3 Millionen Elefanten getötet.

Mark und Delia haben sich 1971 an der Universität Georgia in den USA kennengelernt. Die Zoologiestudentin Delia und Mark, der angehende Lehrer für Naturwissenschaften, hatten denselben Traum: die bedrohte Tierwelt Afrikas zu studieren. 1972 heirateten sie, ein Jahr später verkauften sie ihr gesamtes Hab und Gut und brachen mit zwei Flugtickets, einem kleinen Zelt, einer Garnitur Kleidung zum Wechseln und 6000 Dollar nach Afrika auf.

Sie ließen sich in der Kalahari nieder, im Deception Valley (Täuschungstal), einer Region von der Größe Irlands, wo es allerdings keine Wasserversorgung und keine Straßen gab, nur hier und da ein paar nomadisierende Buschmänner. Fast wären sie verhungert und verdurstet. In der Regenzeit wurde ihr Zelt beinahe von Sturmböen weggerissen, in den heißen, trockenen Monaten, wenn die Quecksilbersäule auf 50 Grad stieg, von Steppenbränden bedroht.

Dennoch leisteten die beiden jungen Wissenschaftler Pionierarbeit in der Wildnis, wo die Tiere noch nie beobachtet worden waren. Sie machten sich aber auch Feinde, weil sie Botsuana wegen der Behandlung seiner durstigen Gnus kritisierten, und wurden des Landes verwiesen. Damals hätten die Owens, die durch ihr Buch und eine Femsehdokumentation bekannt geworden waren, ohne weiteres gut bezahlte Stellen in den Vereinigten Staaten bekommen. Statt dessen gingen sie nach Sambia, einem Entwicklungsland mit 7,5 Millionen Einwohnern im südlichen Zentralafrika.

Seit 20 Jahren waren Sambias Wildreservate Schlachtfelder für Nashörner und Elefanten. 1986 bestand der Nordluangwa-Park nur dem Namen nach. Als die Owens im Juni 1986 dort ankamen, lebten sieben notdürftig ausgerüstete Wildhüter am Rand des Reservats, ohne Fahrzeuge, ohne Campingausrüstung und oft auch ohne Bezahlung. Um zu überleben, jagten sie im Park. "Jeder sagte uns, wir sollten den Nordluangwa vergessen, es sei aussichtslos", erinnert sich Delia. Bis dahin hatte der Erfolg der Owens darauf beruht, daß sie gute Ratschläge ignorierten. "Man darf einfach nicht zuhören, wenn die Leute sagen, etwas sei unmöglich", meinte Delia.

Trotz der Wilderer beherbergte der Park noch zahllose Kaffernbüffel, Impalas, Zebras, Kudus, Leoparden, Löwen und rund 5000 Elefanten. Mit den üppigen Wäldern, dem rauhen Dombuschland und den goldenen Steppen hatte diese Wildnis alles, wofür Touristen möglicherweise Geld ausgeben würden. Der Plan der Owens war, die Wilderer zu vertreiben und gleichzeitig den Tourismus zu fördern, um die sambische Wirtschaft anzukurbeln. So würden die Tiere bald lebendig mehr wert sein als tot.

Heute, fünf Jahre später, ist der Plan Wirklichkeit geworden. Vier Reiseveranstalter bringen Gruppen zu Wandersafaris ins Land, und erstmals ist ein Rückgang der Wilderei zu verzeichnen. "Die Owens kamen gerade zur rechten Zeit", meint ein Beamter der Nationalparkbehörde. "Ohne sie hätten wir den Nationalpark Nordluangwa schon abgeschrieben." Noch mehr freuen sich die Owens aber über die Reaktion der Einheimischen. So sagt Delia: "Stellen Sie sich vor, wie wir in die Dörfer mit hungernden Kindern kamen und sagten: "Wenn ihr aufhört zu wildem, werden Touristen kommen, und ihr werdet Arbeit und Nahrung haben." Anfangs waren sie noch mißtrauisch und ablehnend. Doch inzwischen haben sie es eingesehen."

Mark steuert mit seiner Cessna eine winzige Behelfslandebahn an. Heute morgen fliegt er Gruppen seiner 31 Wildhüter herum. ,Mwapoleni!" grüßt Mark in der Sprache der Einheimischen. Ein halbes Dutzend Wildhüter steigt aus, drei Gefangene in Handschellen im Schlepptau: einen alten Mann, einen jungen Mann und einen zwölfjährigen Jungen, alle barfuß und in Lumpen. Schwarzmarkthändler hatten ihnen fünf Dollar für eine Woche Nilpferdjagd gezahlt. "Wenn die Händler das Wild hier ausrotten", meint Mark, "zerstören sie die Zukunft der Dorfbewohner." Während er die Wilderer über diesen Umstand aufklärt, döst der alte Mann, und der Junge starrt finster vor sich hin.

Die sambische Regierung hat die Owens zu offiziellen Wildhütem gemacht. Das heißt, sie dürfen Verhaftungen vornehmen und Waffen tragen. Delia hat einen Revolver bei sich, und Mark trägt stets eine 9-Millimeter-Pistole im Halfter. Die Owens sind schon gewarnt worden, daß ihnen Wilderer nach dem Leben trachten. Präperiert für die nächste Jagd Bislang gab es jedoch noch keine Übergriffe. Ihr Flugzeug lassen sie rund um die Uhr bewachen, und ihre Reiserouten halten sie geheim. Sonst denken sie möglichst nicht daran.

Das ist natürlich nicht die einzige Gefahr in diesem Tal. Moskitos übertragen Malaria. Im Fluß lauem Krokodile. Mambas und Kobras lassen sich von Dachsparren fallen. Doch Delia fürchtet nichts mehr als Marks Flugzeug. Mark ist ein ausgezeichneter Pilot, doch wenn er Tiere oder Wilderer verfolgt, fliegt er oft in Baumwipfelhöhe, wo eine Luftblase in der Treibstoffleitung oder ein Geier im Propeller den Tod bedeuten kann. "Ich mag gar nicht daran denken, was ich tun würde, wenn Mark etwas zustieße", sagt Delia schaudernd. "Wir stehen uns so nah - als wären wir zwei Hälften eines Menschen."

Ihr Leben im Nordluangwa ist nie leicht. Das Trinkwasser aus dem schlammigen Fluß muß zum Schutz vor Ruhr gefiltert und 20 Minuten abgekocht werden. Essen wird über dem Lagerfeuer oder auf einem primitiven Herd gekocht. Die Versorgung ist schwierig. Der Arbeitstag der Owens beginnt um fünf Uhr morgens, wenn die Hyä-nen noch im Dunkel des Tals heulen. Solarbatterien speisen die Lampen und die beiden Computer in der Hütte, wo Mark und Delia Liegengelassenes aufarbeiten, bis um sieben die Mitarbeiter eintrudeln. Von da an verwenden sie ihre Energie auf den Papierkrieg mit der umständlichen Bürokratie, die Instandsetzung der Ausrüstung und Versuche, den Lustlosen oder Entmutigten unter den Wildhütem gut zuzureden.

Für Afrika haben sie auf vieles verzichtet. Der Naturschutz kommt für sie noch vor ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Eine Fortsetzung von Der "Ruf der Kalahari" ist seit Jahren überfällig. Delias Vater und Marks Eltern sind ge-storben, seit die beiden hier sind. Delia war weder auf der Hochzeit ihres Zwillingsbruders noch auf den meisten anderen Feiern wie Taufen, Beerdigungen und Feiertagstreffen, die die Familie zusammenhalten. Denken sie jemals daran aufzugeben? "Wenn Leute wie wir klein beigeben", sagt Mark, "heißt das für alle anderen, daß es keine Hoffnung mehr gibt."

In einer anderen kühlen Nacht werden die Lautsprecher wieder aufgestellt, und Delia wählt ein Medley aus Japsem und Gebrüll, um die Löwen anzulocken. Minuten später leuchten gelbe Augen im Scheinwerferlicht, und eine Löwin baut sich gelassen vor ihnen auf. Pock! Mark trifft sie mit dem Betäubungspfeil hinter der Schulter. Die Löwin zuckt, bäumt sich auf und stürzt zum Fluß. Wenn sie es bis dorthin schafft oder im Dickicht zusammenbricht, könnte sie ertrinken oder Hyänen zum Opfer fallen. Doch nach einem kurzen Sprint über Hügel und Warzenschweinlöcher entdecken sie die Löwin, die wie betrunken schwankt. Dann sackt sie zusammen.

Untersuchung einer betäubten Löwin
Mark und Delia messen sie, stellen anhand der Abnutzung der Zähne ihr Alter fest und binden ihr ein Gummihalsband mit einem eingebauten Sender um. Die übrigen Löwen beobachten alles aus der Entfernung. Nähert sich einer, dann blendet ein Helfer das Tier mit dem Scheinwerfer, und es zieht sich zurück. Mark und Delia arbeiten schweigend und konzentriert. Sie bemerken gar nicht, daß die Birne im Scheinwerfer kaputtgeht. Der Ersatzscheinwerfer funktioniert nicht, und so bleibt nur eine Taschenlampe, um die Raubtiere in Schach zu halten.

Am nächsten Morgen wollen die Owens die Löwen mit Hilfe der Funksignale durch den Busch verfolgen. Mark kämpft sich durch zweieinhalb Meter hohes Büffelgras, stößt auf eine Sandbank und schreckt ein schlafendes Nilpferd auf. Das Tier erwacht mit einem Brüllen. "Ganz ruhig, Mädchen", beschwichtigt Mark es und zieht sich zurück. Das Nilpferd galoppiert davon. Kurz darauf überrascht Mark zwei schlafende Löwen, die ihn drohend anknurren, bevor sie schließlich zwischen den Bäumen verschwinden.

Am Nachmittag waschen sich Mark und Delia im flachen Wasser den Staub ab, wobei sie stets nach Krokodilen Ausschau halten. Später sitzen sie am Ufer im Sand und sehen zu, wie der Sonnenuntergang die Wolken färbt. Da entdecken sie Rauch, ein Buschfeuer. "Wilderer!" stößt Mark hervor.

Eine Stunde vor der Morgendämmerung rollt Mark in der Cessna über die dunkle Piste, hebt ab und nimmt Kurs nach Südosten. Bei Tageslicht können sich die Wilderer vor einem Flugzeug verstecken. Manche glauben an Zaubertränke, die sie unsichtbar machen. In kalten Nächten aber und in einem Tal, das von Löwen wimmelt, müssen auch Wilderer ein Feuer machen. Mark steigt auf 1500 Meter, und eine Viertelstunde später hat er sie: ein Dutzend Lagerfeuer, die sich wie eine glitzernde Rubinhalskette über die schwarze Ebene ziehen. Die nächsten Tage verbringt er damit, die Menschenjagd zu organisieren. Die Wildhüter nehmen drei Wilderer fest, doch der Rest der Bande entkommt mit den Stoßzähnen von fünf Elefanten.

Die Owens halten das für den Auftakt zu einer weiteren Welle der Elefantenwüterei. Also starten sie einen neuen Feldzug, bieten jedem Jäger, der seine Waffe abgibt, eine Belohnung und einen gut bezahlten Job. In mehreren Dörfern heuern sie Informanten an. Die Wilderer rächen sich: Die Hütte eines Informanten wird von Gewehrfeuer durchlöchert. Wie immer schlafen die Owens mit geladenen Waffen neben dem Bett. Für Mark und Delia hört der Kampf nie auf. Sie träumen vom Bau einer Blockhütte in den Rocky Mountains, doch erst, so Mark, "wenn wir zu alt sind, um wieder in den Busch zu kriechen". Es gibt noch viel zu tun.

Am Ende eines weiteren Tages in Afrika beobachteten die beiden still, wie eine Zebrafamilie aus dem Lubonga trinkt. Ein Elefant kommt aus dem hohen Gras hervor. "Es ist Survivor!" flüstert Delia.

Die meisten Elefanten im Park flüchten beim ersten Anzeichen von Menschen. Doch der einsame Bulle, den die Owens so treffend den "Überlebenden" getauft haben, hat sich in den letzten Monaten regelmäßig gezeigt. "Das ist die Belohnung", sagt Mark und lächelt, als der Elefant den Rüssel in den schlammigen Fluß taucht. "Irgendwie passiert immer dann, wenn einem der Mut sinkt, ein Wunder und Afrika hat uns wieder."

Untersuchung einer betäubten Löwin

Home -- zurück zu Berichte
GOWEBCounter by INLINE
(c) Shirarch 21.09.2002