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Tiger in Afrika

Tiger gehören nach Asien, in Afrika gibt es Geparde, Leoparden und Löwen. So, oder so ähnlich haben es sich die meisten eingeprägt. Zu Recht. Und nun das: Tiger soll es in Zukunft auch in Afrika geben. Da versteht einer die Welt nicht mehr!

Aber halten wir uns doch einmal vor Augen: Der Tiger ist eine der am meisten bedrohten Raubkatzenart. In China fressen sie Tiger, im Glauben, dessen Stärke und Wesen anzunehmen oder auch im Alter noch den Schwanz so peitschen lassen zu können, wie es ein wütender Tiger tut. Man tötet den Tiger wo immer man ihm habhaft werden kann. In Indien ist er ebenfalls ein Konkurrent der Menschen. Abholzung der Wälder und Ausweitung der Dörfer grenzen sein Revier stetig ein. Es ist nun mal so, daß die stärkste der Großen Katzen gegen den Menschen nichts ausrichten kann. Sie zieht in jedem Fall den Kürzeren und wird über Kurz oder lang ausgerottet sein, vielleicht sogar noch eher als der Gepard, welcher ja um die Jahrhundertwende massenhaft gemordet wurde. Die Bestände brachen von ehemals Hunderttausenden auf nur noch wenige Tausend ein. Schutzprogramme und Aufklärungskampagnen scheinen erste Früchte zu tragen und lassen Hoffnung aufkeimen, daß der Gepard weiterleben wird.

Diese Möglichkeit, so dachten zwei Männer, sollte auch dem Tiger gegeben werden. Der südafrikanische Naturfilmer John Varty, der seit über 25 Jahren Afrikas große Raubkatzen studiert, und der amerikanische Tiertrainer Dave Salmoni haben es sich zum Ziel gesetzt, zwei zahme Bengal-Tiger in einem geschützen Reservat in Südafrika auszuwildern. VOX hatte in der ersten Sendung bereits darüber informiert. Am 29.1.2005, 17:55 Uhr wird in "Tierzeit" berichtet, wie es weitergeht. Man kann gespannt sein.

Was ist nun davon zu halten? Was sind die Vor- und Nachteile dieses Experimants? Bei den Vorteilen tue ich mich ernsthaft schwer, diese zu erkennen oder anzuerkennen. Argument: Schutz vor der Ausrottung: Es ist ein guter Gedanke, den Tiger vor der drohenden Ausrottung schützen zu wollen. In Afrika ist jede Menge Platz, in Afrika gibt es Schutzreservate, dort hat der Tiger genügend Ruhge und Zeit, um sich an die neuen Lebensverhältnisse zu gewöhnen. Bei entsprechende fachkundiger Betreuung hätte der Tiger vielleicht eine echte Chance, sich im neuen Gebiet heimisch zu machen. Damit erschließt sich ein weiteres Lebensumfeld für den Tiger.Sicher ein Vorteil. Ist er dann aber wirklich vor der Ausrottung geschützt? Und damit wären wir bei den Nachteilen, bzw. bei den ungeklärten Punkten, welche diesem Projekt negativ anhaften.

  1. Was passiert mit den Tieren im neuen Lebensraum des Tigers? Haben diese überhaupt noch die Möglichkeit, in Ruhe zu Leben? Oder gehen sie an Streß aufgrund ständiger Bedrohung durch zu vieler Carnivoren zugrunde. Was ist mit den anderen Carnivoren? Hat der Gepard zum Beispiel dann überhaupt noch die Chance zu jagen und seine Beute zu vertilgen, wenn nun ein weiterer übergeordneter Fleischfresser als Nahrungskonkurrent auftritt? Wie wird das gesamte Biologische Gleichgewicht, welches zwischen den Tieren herrscht beeinflußt? Eine Frage, die nicht beantwortet werden kann.

  2. Hat der Tiger aufgrund seiner Körpermerkmale überhaupt eine Überlebenschance in Afrika? Ist er genügend an die Umgebung angepaßt, um bestehen zu können?

  3. Wie wirkt sich der aprupte Standortwechsel für den Tiger aus? Wir wissen, daß die Tier in ihren angestammten Lebensräumen durch Anpassung im Laufe von vielen tausend Jahren heimisch geworden sind. Was passiert nun aber mit den Tieren und ihren Fähigkeiten, wenn sie in ein völlig anderers Gebiet kommen?

  4. Ist die Erschließung des neuen Lebensraumes nicht nur eine zeitliche Verschiebung der Ausrottung? Man macht in Asien Platz für den Menschen, indem man den Tiger nach Afrika verschiebt und dann? Wer garantiert daß in 50 Jahren der Tiger nicht auch in Afrika im Wege ist? Ist dies nicht sogar ein verantwortungsloses Aufschieben eines grundsätzlichen Problems: nämlich der verschwenderischen Lebensweise der Menschen und dessen Umgang mit der Natur und deren Ressourcen?
  5. Dient die Erschließung des neuen Lebensraumes wirklich dem Wohle des Tigers? Oder handelt es sich hier um eine perfide Methode, um legal Jagd auf Tiger zu machen? Gehen wir davon aus, daß die Reservate in Privatbesitz sind. Wer hindert die Grundbesitzer daran, daß Sie ihr Gelände vermieten, um Trophäenjägern die Jagd zu ermöglichen? Es ist nur ein Punkt, den ich "als der Überlegung wert" in den Ring werfe.

  6. Was ist mit den Menschen dort? Sie haben nicht gelernt mit dem Tiger zu leben. In Indien zum Beispiel hat man sich zum Schutz vor Tigerangriffen Masken geschnitzt, die ein Gesicht am Hinterkopf andeuten. Das wissen die Afrikaner nicht, laufen also Gefahr angefallen zu werden. Werden sie also akzeptieren, daß es nun eine weitere Gefahr für ihr Leben gibt?

  7. Steckt nicht einfach Profilierungssucht dahinter? Etwas zu schaffen, was vorher noch keiner geschafft hat? Soll man denn das gutheißen?

Es sind alles Punkte, die nicht richtig sein müssen, aber durchaus ihre Daseinsberechtigung haben und demnach eine Frage wert sind. Zumahl hier ein entscheidender Aspekt im Raum steht, der mir persönlich sehr viel Kopfzerbrechen bereitet: Es sind zahme Tiger, von Hand aufgezogen. Bisher sind Auswilderungsversuche mit zahmen Tieren daran gescheitert, daß die Probanten nicht in der Lage waren, in der Wildnis einen Platz zu finden, sich durchzusetzen und zu behaupten. Nun möchte man es gleich auf die Spitze treiben und zahme Tiere in einem völlig untypischen Lebensraum auswildern. Also für mich ist diese Sache völlig unausgegoren. Ich kann mich mit meinem derzeitigen Kenntnisstand allgemein und speziell dem Wissen über das Projekt nicht dafür erwärmen, einen Tiger in Afrika heimisch zu machen. Auch kann ich mir nicht vorstellen, daß ein Tierfilmer und ein Tiertrainer über ausreichend Wissen verfügen, um die Situation richtig einschätzen und Gefahrenpotentiale frühzeitg erkennen zu können. Wir werden es sehen.

Im ürbigen läuft seit ca. 2 Jahren ein Auswilderungsprojekt Chinesischer Tiger (Quelle). 2008 soll das Projekt abgeschlossen sein. Gehört hat man allerdings nichts weiter. Was mich jedoch nun interessiert ist, wie Sie über dieses Projekt denken. Sehe ich da zu schwarz, oder sind die angesprochenen Probleme realistisch? Gibt es Fachleute, welche über das Projekt besser Bescheid wissen, als ich? Gibt es kongrete Antworten auf meine Fragen? Mailen Sie mir, oder beteiligen Sie sich an einem Gedankenaustausch im Tigerforum.

Ihr René Noack




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