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2. Raubtieranatomie

Alle Katzenskelette sind, abgesehen von der verschiedenen Körpergrösse, ziemlich ähnlich. Selbst bei den Löwen sehen wir im Prinzip ein vergrössertes Hauskatzen-Skelett (2) . Die meisten Katzen, lebende und ausgestorbene Arten, haben schlanke, lange Knochen. Katzen gehören, wie die Hunde auch, zu den rennenden und springenden Raubtieren, im Unterschied zu den schreitenden Raubtieren wie z.B. den Bären. Das Skelett der Geparden ist bemerkenswert an die extremen Geschwindigkeiten bei der Verfolgung der Beute auf offenem Gelände angepasst. Dazu gehört der lange Schwanz (siehe unten), der bei raschen Richtungsänderungen die Balance ermöglicht. Die Wirbelsäule ist besonders flexibel (Wirkung wie eine Feder) und erlaubt zusammen mit den langen Extremitäten eine grosse Schrittlänge. Das Schulterblatt kann besonders weit ausgelenkt werden. Kräftige Bänder halten die Gelenke bei der grossen Belastung bei weiten (bis 7 Meter) Sprüngen zusammen.


Raubtierskelette im Vergleich

Raubtierskelette (oben) und
gestreckte Körperhaltung des Gepards beim Sprint (unten)
(Bildquellen 1,2)


Gepard im Sprint

Weitere anatomische Anpassungen an die Jagdstrategie der Geparden findet man in den Proportionen des Körpers (kleiner Kopf, lange Hinterextremitäten und Rücken) und damit in der Gewichtsverteilung der Extremitäten. Die grosse Lunge und die vergrösserten Nasenkanäle erlauben eine grossvolumige Atmung während der Verfolgungsjagd, nach der das Beutetier durch Festbeissen der Luftröhre erstickt werden muss, weil die Kiefermuskulatur des Gepards für einen Genickbiss nicht stark genug ist.

Einen weiteren Unterschied zwischen Katzen und Hunden einerseits, und Bären und Menschen andererseits ist in obigem Vergleich der Skelette gut zu sehen: Katzen und Hunde laufen auf den "Zehenspitzen" (digitigrade Fortbewegung) und verlängern damit ihre Extremitäten, während Bären (nebenbei: Menschen ebenso) den Hinterfuss auf den Boden aufsetzen und verkürzte Zehen besitzen (plantigrade Fortbewegung) (Kuhn-Schnyder, 1984). Bären und Hunde haben keine beweglichen Krallen, ein Merkmal, auf das ich im Kapitel 2.2. im Detail eingehen möchte.


2.1. Zahnformel

Ganz konkret können wir uns eine Situation vorstellen, in der an einer Fundstelle, z.B. in einer Höhle, eine grosse Anzahl Knochen gefunden werden und nun die Aufgabe gestellt wird, die hier versammelten Tierfamilien aufzulisten. Falls Kieferfragmente und Schädelknochen vorhanden sind, ist die Aufgabe nicht besonders schwer. Als ein bewährtes Bestimmungshilfsmittel dient die Zahnformel.
Säugetiere besitzen verschiedene Zahntypen, die sich gut unterscheiden lassen. Diese Zahntypen haben ganz bestimmte Funktionen, wie Schneiden, Festhalten und Reissen einer Beute, Kauen, Mahlen oder das Brechen von Knochen. Man unterscheidet Schneidezähne (Inzisivi I, engl incisors), Eckzähne (Canini C, engl. canines), Vorbackenzähne (Praemolares P, engl. premolars) und Backenzähne (Molares M, engl. molars). Mit den fettgedruckten Abkürzungen werden die Zahnformeln auf folgende Weise als Bruch dargestellt, die Werte sind immer nur auf eine Seite des Kiefers bezogen:

I. C. P. M einer Seite des Oberkiefers
----------------------------------------------------
I. C. P. M einer Seite des Unterkiefers

Manchmal setzt man in der Formel auch eine Zahl in Klammern, wenn die Anzahl dieses Zahntyps innerhalb einer Familie oder einer grösseren Gruppe variiert oder setzt einen Bindestrich für minimale und maximale Anzahl.

Werfen wir nun eine Blick auf den Schädel eines Hundeartigen und eines Vertreters der Grosskatzen (hier ein Leopard). Der Wolfsschädel entspricht praktisch demjenigen eines Haushundes. Beim Haushund ist die Schnauze kürzer und der Schädel insgesamt kleiner.

Die allg. Zahnformel für alle Canidae (Hundeartige, inklusive Hyänen, Schakale, Kojoten, Füchse und Waldhunde) lautet:

Hundeschädel mit Zahnformel

3. 1. 4. 1-4
--------------
3. 1. 4. 2-4

und explizit für den Hund bzw. Wolf (Canis sp.):

3. 1. 4. 2
------------
3. 1. 4. 3

siehe abgebildeten Schädel rechts (Bildquelle 2)



Die allg. Zahnformel für alle Felidae (Katzenartige):

Katzenschädel mit Zahnformel

3. 1. 2-3. 1
--------------
3. 1. 2. 1-2

und explizit für die Hauskatze (Felis sp.):

3. 1. 3. 1
------------
3. 1. 2. 1

siehe abgebildeten Schädel oben (Bildquelle 2)



Gepardenschädel   Das Gepardengebiß



Links der Schädel eines Geparden (nicht massstabsgetreu), der weniger robust gebaut ist als z.B. beim Leoparden, aber die selbe Zahnformel aufweist:
3 Schneidezähne, 1 Eckzahn, 2 Vor- backenzähne und ein Backenzahn im Unterkiefer, wenig ausgeprägte Lücke nach den Eckzähnen (Bildquellen 1, 2)

Wie hier gezeigt, besteht ein wesentlicher Unterschied im Gebiss von Hunde- und Katzenartigen Raubtieren in der Anzahl Vorbackenzähne und Backenzähne (charakteristische Zahnformel). Die Katzen besitzen ein Gebiss, das gegenüber den Hundeartigen stärker reduziert, aber damit auch mehr spezialisiert ist. Die Hundeartigen sind Generalisten, die auch Knochen älterer Kadaver aufbrechen und pflanzliche Nahrung verwerten, während die Katzenartigen im allgemeinen die weicheren und fleischigen Teile der frischgetöteten Beute bevorzugen. Obwohl beide Familien zu den Carnivora gehören, lassen sie sich anhand dieses Merkmals zweifelsfrei unterscheiden, und das gleiche gilt auch für die Knochenfunde in Form von Kieferfragmenten der letzten 20 Millionen Jahre.



2.2. Zurückziehbare Krallen

Das anatomische Merkmal, von dem nun die Rede sein soll, findet man oft auf Websites und auch in bekannten Lexika als das Unterscheidungsmerkmal zwischen dem Geparden einerseits und allen anderen Raubkatzen andererseits: die Beweglichkeit bzw. Einziehbarkeit der Krallen. Bereits der lateinische (bzw. altgriechische) Gattungsnamen "Acinonyx" bezieht sich darauf, da a-kineo "unbeweglich" bedeutet. "jubatus" bezieht sich dagegen auf die auffällige Nackenmähne (juba) der jungen Geparden.

Es leicht einzusehen, dass die Pfoten der Geparden eine hohe Festigkeit aufweisen müssen um a) die Kraft der langen Gliedmassen auf den Boden zu übertragen und b) die Kräfte bei der Landung von weiten Sprüngen auszuhalten. Während in kurzen Texten zu den Geparden in Lexika und auf dem Internet einfach nur von nicht-zurückziehbaren (engl. "non-retractable") Krallen gesprochen wird, findet man in Fachpublikationen und Büchern, die sich im Detail mit der Anatomie der Raubkatzen befassen, eine andere und vor allem differenziertere Behandlung des Themas. So z.B. bei "The big cats and their fossil relatives" 1997, Alan Turner and Mauricio Anton, S. 132, (2)

 

"Es heisst oft, dass der Gepard eine Ausnahme unter den Katzen sei, weil seine Krallen etwas weniger einziehbar seien. Es ist allerdings nicht wahr, dass seine Krallen nicht einziehbar sind, und es scheint, dass die Abnützung während der Verfolgungsjagden zusammen mit einigen Unterschieden in der Morphologie des Bindegewebes im Vergleich mit anderen Katzen grösstenteils für die Verwirrung verantwortlich waren. Die Gepardenklauen sind im zurückgezogenen Zustand nicht zum Teil mit einer Hülle aus Haut umgeben, was den Eindruck erzeugen mag, sie seien immer noch etwas ausgefahren."

 

Denselben Befund fand ich im (übrigens für Katzenfreunde sehr empfehlenswerten) Buch "Wild Cats of the World" von Wolfe und Sleeper, 1995, S. 17 (1), aus dem ich die meisten Farbbilder für diesen Artikel entnommen habe. In beiden Quellen wird weiter ausgeführt, dass das Einziehen der Krallen in die Pfoten bei anderen Katzen dazu beiträgt, dass die Krallen immer scharf bleiben und dass, mangels Umhüllung, die Krallen des Gepards deshalb stumpf sind. Solche Krallen stören bei der Jagd nicht, lassen aber andererseits ausgiebiges Klettern nur beschränkt zu.

So kann man zusammenfassend festhalten, dass die Krallen des Gepards wohl bis zu einem gewissen Grad beweglich sind (im Unterschied zu Hunden, Bären etc.), jedoch auch ständig freiliegen und insgesamt an die Jagd des Gepards angepasst sind. Dieser Sachverhalt ist so auch auf der Internetseite des "De Wildt"-Parks in Südafrika geschildert
[http://www.dewildt.org.za/cheetah/index.html].
Dieser Park hat eine langjährige und besonders erfolgreiche Geschichte mit der Haltung und Aufzucht von Geparden und damit wohl auch genügend praktische Erfahrung, um diese Frage zu beurteilen.

Pfotenwetzen am Baum

Die erste Kralle des Vorderfusses (engl. "dewclaw") berührt auch beim Gepard den Boden beim Gehen nicht und ist deshalb besonders lang. Sie hilft beim Klettern und beim Schlagen und Festhalten des Beutetiers. Die Fussballen des Gepards sind besonders hart und strukturiert, um beim Sprint die Bodenhaftung zu sichern. Auf dem Bild links sieht man einen Geparden beim Hinterlassen von Markierungen und beim Schärfen der Krallen und im Bild unten bei der Fellpflege, wobei die harten Fussballen gut zu sehen sind.

Vorderpfote

Links und oben: Krallen und Fussballen der Geparde (Bildquelle: 1)


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